In meiner Jugend habe ich tatsächlich noch den Handkuss geübt. An der Essenfachklappe eines Bundeswehrspindes. In Deutschland passee, aber in Österreich immer noch angesagt. So würde ich dort in jedem Tennisclub sofort aufgenommen. Man weiß also nie, wozu etwas in der Jugend Erlerntes gut sein kann.
Inzwischen hat sich vieles verändert. Beim Fußball waren die Nummern 2 und 3 Verteidiger, die 9 spielte vorne, die 5 trug immer Franz Beckenbauer, die 10 abwechselnd Günter Netzer oder Wolfgang Overath und höher als 11 kam nicht zum Einsatz. Trikots waren ohne Namen. Die kannte man. Heute suchen sich die Spieler die Nummern aus, Brasilianer sogar die Namen. Kinder führen die Spieler auf das Feld. Früher hat der Kapitän gemacht. Und auch ohne Hilfe den Anstoßpunkt gefunden. Schiedsrichter heute tragen leuchtende Farben, Headset im Ohr, Spray an der Hose und haben einen vierten Mann an der Seitenlinie. Walter Eschweiler hat das früher alles ganz alleine gemacht.
Auch beim Telefon ist alles anders. Wir konnten damals im Garten kein Foto schießen. Das war nicht vorgesehen und außerdem wäre die Schnur auch nicht lang genug gewesen. Dafür war spannend, wer sich am anderen Ende des Telefons melden würde. Heute sieht man es schon im Display oder jeder Anrufer hat sogar seinen eigenen Klingelton. Demnächst wird man schon am Klingelton erkennen können, ob sich die Freundin verabreden oder Schluss machen will. Noch einfacher ist es über Facebook: Status ändern von „in Beziehung“ auf „ohne Beziehung“. und der andere weiß Bescheid. Spart eine Menge Zeit, die man dann dazu verwenden kann, per App, Twitter, Facebook allen ausführlich mitzuteilen, wo man sich gerade befindet, was man gerade isst oder sogar, was und wie man gerade verdaut. Ich finde das eklig, aber viele quittieren derartig Überflüssiges sogar mit dem Gefällt mir-Button. Dummes Geschwätz wirkt noch sehr viel bedeutsamer, wenn man es mit einem kleinen Bild bei Facebook postet. Wo habe ich das noch gelesen? Ach ja, auf Facebook.
Fernsehen ist auch so ein Thema. Wir sahen Schwarz-Weiß, um 24 Uhr war Sendeschluss, die Kiste war kaum größer als ein DIN A4 Blatt und wenn es nur noch flimmerte, haben wir uns stundenlang das Wort „Bildstörung“ angeschaut. Sonntag Nachmittag war Operettentag. Ginge heute gar nicht mehr. Der Bettelstudent wäre eine Diskriminierung einer Berufsgruppe, Drei alte Schachteln oder Die Musterweiber nicht gendergerecht, Die keusche Susanne ist ausgestorben und Der Zigeunerbaron müsste in jedem Fall umbenannt werden. Heute zeigen sie, wie sich einige Nackte auf einer Insel zum Date treffen und verkaufen das als Innovation. Nackturlaub kannten die DDR-Bürger seit Jahrzehnten auf Rügen oder Usedom – nur ohne Fernsehen.
Komik war oft unfreiwillig. Wie beim Bayerischen Rundfunk. Ausgerechnet der Sender, der Lieder wie „Mia san mia“ oder „Pfüad di“ jodeln ließ, gab Drafi Deutscher „Marmor, Stein und Eisen bricht..“ keine Chance. Nicht weil das Lied so schlecht war, sondern wegen der Grammatik. (Für die Jüngeren: es muss „Marmor, Stein und Eisen brechen“ heißen.)
Essen im Freundeskreis war früher viel einfacher. Man lud ein und es gab ordentlich zu essen und zu trinken. Der Gastgeberin heute machen Veganer, Frutarier, Pescetarier, Flexitarier, Ovo- oder Lacto-Vegetarier und Freeganer das Leben zur Hölle. Noch schlimmer sind die, die sich wie die Vorfahren ernähren wollen. Die krempeln dir den Garten um auf der Suche nach Nüssen und Regenwürmern.
Elektrogeräte hielten wesentlich länger als bis zwei Tage nach Ende der Garantie. Eine Kugel Eis für 50 Pfennig war teuer und Tutti frutti die unterste Stufe des Fernsehens. Dachte man. Wie man sich täuschen kann! Früher hatten Eltern durchschnittlich vier Kinder. Heute haben Kinder durchschnittlich vier Eltern. Wir haben Kassetten mit der Hand und einem Bleistift zurückgespult. Das machte geduldig. Ich habe in einer mitgebrachten Blechkanne frische Milch gekauft, sofort den ersten Schluck genommen und bin tatsächlich nicht daran gestorben. Käse war tatsächlich Käse, im Erdbeerjoghurt waren Erdbeeren und keine Sägespäne mit Erdbeergeschmack und Surimi oder Tofuburger kannte ich nicht.
In anderen Dingen waren wir wie die Generation heute: Auch wir haben unsere erste Zigarette geraucht, das erste Bier getrunken, das erste Date genossen, den ersten Sex erlebt, sind von zu Hause ausgezogen, haben geheiratet und Kinder bekommen. Wir haben es nur in der richtigen Reihenfolge gemacht.
Aber um ehrlich zu sein: Mir wiederum ist völlig unverständlich, was meine Eltern ganz ohne Fernsehen und Telefon gemacht haben. Ich habe keinen blassen Schimmer. Auch keines meiner sechzehn Geschwister hat irgendeine Erklärung.
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