Warum ich es mit meinem Sportverband nicht immer leicht habe – und umgekehrt

von Winfried Weidlich

Ich betreibe Sport. In einem Verein. Gerne. Einzeln und in der Mannschaft. Der Sport ist toll, aber mit der Organisation und den Hierarchien meines Sports habe ich einige Probleme.

Ich bin Mitglied in einem Club. Der ist Mitglied in einem Landesverband, dieser Landesverband wiederum ist Mitglied in einem deutschlandweiten Bund. Ich selbst bin also kein Mitglied in meinem Landesverband und schon gar nicht Mitglied in diesem deutschen Bund. Oder anders: ich wähle meinen Clubvorsitzenden, der wählt seinen Landesvorsitzenden und diese 17 Männer und Frauen wählen den Präsidenten meines Sport-Bundes. Ich sage „mein Sport-Bund“, weil ich eines von 1,5 Millionen Mitgliedern zu sein scheine, wenn es um den Stolz meines Sport-Bundes wegen der hohen Mitgliederzahlen geht. Wenn es um Entscheidungen geht, bin ich kein Mitglied.

Ein Vorteil für mich: ich werde bei zukunftsweisenden Projekten, die dieser Bund plant, nicht gefragt. Ich bin ja kein Mitglied. Ich muss mir folglich auch keine Gedanken machen, die möglicherweise meinen Horizont übersteigen könnten.

Der Vorteil für den Bund: er muss bei zukunftsweisenden Projekten weder mich noch die anderen 1,5 Mio fragen, sondern nur die Siebzehn, die wirklich Mitglied sind.

Ein weiterer Vorteil: „mein“ Sport-Bund braucht mich nicht wirklich zu informieren (wozu auch, ich habe ohnehin keine Stimme) und ich brauche meinen Geist nicht mit Überflüssigem zu belasten oder mir eine Meinung zu bilden (wozu auch, die ist ohnehin nicht gefragt).

Nicht, dass ich gar nicht informiert werde.
Gewinnspiele, Partnerschaften meines Sport-Bundes, Athletiktrainer des Jahres oder wer die meisten Punkte bei der LK-Wertung gewonnen hat – alles wichtige Informationen, die mir täglich dankenswerter Weise zufließen. Und wenn ein junger Herr (auch kein Mitglied) irgendwo in der Welt einen wie immer gearteten Erfolg feiert oder das erreicht, was mein Bund für einen Erfolg hält, werde ich selbstverständlich informiert, ausführlich in Wort und Bild.

Worüber ich mir keine Gedanken machen muss: was hat die letzte Hauptversammlung beschlossen, was ist für die nächste geplant und gibt es bald Beitragserhöhungen. Darüber werde ich nicht informiert. Mein Sport-Bund geht davon aus, dass es entweder nicht wichtig oder nicht interessant für mich ist – und falls doch, dann vermutlich jenseits meines Horizontes, also einer Veröffentlichung nicht wert.

Es gibt Neuigkeiten und folgende Schlagworte machen die Runde:
Mein Sport-Bund hat eine Vision. Und eine neue Strategie. Und ein neues Nutzungskonzept. Und einen neuen Fokus auf die Spiellizenz. Mit umfangreichen Gedanken. Mit einem neuen Ansatz. Mit Inhalten. Mit einer Story. Es soll ein neues Haus gebaut werden. Für 1,5 Mio. Spieler, 400.000 Wettkampfspieler, 50.000 Ehrenamtliche, 15.000 Trainer. Vereint in einem digitalen gemeinsamen Zuhause. Und Fremdsprachliches darf natürlich auch nicht fehlen: we play. we coach. we work. we enjoy, think different.

Es soll etwas völlig Neues geben – und kaum jemand weiß etwas darüber. Woher auch? Denn wie heißt es in der Präsentation des DTB „Informations-Veranstaltung „tennis.de plus“, die an drei Tagen im März 2023 vor Präsidenten und Teilnehmern aus den Landesverbänden durchgeführt wurde: „Transparente Information und Einbindung der Entscheidungsträger im Landesverband zum aktuellen Konzeptstand“
Transparente Informationen für einen kleinen Kreis. Und Einbindung desselben kleinen Kreises.

Warum diese Geheimniskrämerei? Das neue Konzept betrifft uns alle und daher sollten auch alle Betroffenen – und das sind 1,5 Mio – vor der Entscheidung über derartig wichtige und zukunftsweisende Konzepte informiert werden. Auf allen Ebenen – vom Verein über den Bezirk bis zum Landesverband – könnte ein reger Meinungsaustausch stattfinden, der sicher fruchtbarer ist als eine Präsentaion vor einigen Entscheidungsträgern. Der in der Päsentation des DTB verwendete Satz: „Lasst uns jetzt gemeinsam die richtige Entscheidung treffen“ wäre dann nicht nur ein Lippenbekenntnis.

Man kann davon ausgehen, dass diese Informationen nicht aus Versehen zurückgehalten worden sind. Ich denke, sie sollten tatsächlich nur einem kleinen Kreis zugänglich gemacht werden.
Ich spekuliere nicht über mögliche Gründe für diese Vorgehensweise. Wie immer man auch darüber denkt, wenn man denn dieses neue Konzept lesen konnte, diese Art der Information oder eher diese Art der Zurückhaltung von Informationen löst eher Skepsis aus. Transparenz sieht wirklich anders aus.

Entscheiden werden über dieses neue Konzept die 17 Mitglieder meines Sport-Bundes – die Landesverbände. Bezahlen werden es alle. In irgendeiner Form. Manche mehr und manche weniger.

Auch wenn wir vorher an der Entscheidungsfindung nicht oder nur in sehr geringem Maß beteiligt sind, ein Trost bleibt:

Über das, was wir demnächst werden bezahlen müssen, wird unser Sport-Bund uns nach der Entscheidung gewiß informieren – immerhin …