Vollmond und andere Misshelligkeiten

 

Das folgende gilt nur für mich persönlich. Für niemanden sonst. Ähnlichkeiten mit Ihnen bekannten Tennisspielern sind rein zufällig. Hand aufs Herz.

Neulich in der ersten Runde eines Turniers traf ich mal wieder keinen Ball. Nicht beim Einspielen und schon gar nicht im Spiel. Ich verlor locker und war völlig ratlos. Bis zum Abend. Da zeigte meine Frau aus dem Fenster: Vollmond. Nach langen Beobachtungen habe ich festgestellt: ich kann bei Vollmond kein Tennis spielen. Ich lasse bei Vollmond auch meine Schläger nicht besaiten. Ist mir zu risikoreich. Denn wenn der Besaiter so ähnlich drauf ist wie ich, wird das nie etwas. Oder er ist zu allem Überfluss auch noch Zwilling mit Aszendent Fische: also nur linke Hände und völlig gefühllos. So einen lass ich doch nicht an meinen Schläger.
Seitdem mir meine Frau die Auswirkungen des Vollmondes auf mein Tennisspiel klar gemacht hat, spiele ich keine Turniere mehr, die bei Vollmond stattfinden. Und schon fühle ich mich deutlich besser.

Nur, seit kurzer Zeit ist ein neues Problem aufgetaucht. Ich werde lärmempfindlich. Auf Plätzen neben quietschenden Kinder – Schaukeln kann ich nicht spielen. Und wenn auf dem Nachbarplatz zwei sich über den Spielstand streiten, bringe ich keinen vernünftigen Schlag zustande. Neulich hat ein Zuschauer mit Schokoladenpapier geknistert: weg war meine Vorhand. Und seine Frau hat Kaffee aus der Thermoskanne in eine Tasse gegossen. Weg war auch die Rückhand. Und dieses Plätschern hat bei mir einen unglaublichen Drang verursacht, kaum zu beschreiben. Aber man kann doch mitten im Spiel nicht einfach vom Platz gehen. Ich habe aufgegeben. Dann darf man ganz schnell vom Platz und den Ort der Erleichterung aufsuchen.

Was ich auch nicht leiden kann: Gegner, die mich während der Pause beim Seitenwechsel keines Wortes würdigen. Warum wollen die nicht mit mir reden, frage ich mich und schon ist meine Konzentration weg. Noch schlimmer finde ich nur noch die, die mich beim Seitenwechsel regelrecht zuquatschen: entweder analysieren sie den letzten Ballwechsel oder sprechen über ihre Gebrechen. Das kostet mich regelmäßig die nächsten drei Punkte.

Um eines klarzustellen: Meine Sensibilität hat überhaupt nichts damit zu tun, ob ich morgens zuerst mit dem linken oder dem rechten Fuß aufstehe. Wirklich gar nichts. Denn wenn ich zuerst mit dem linken Fuß aufstehe, gehe ich gar nicht erst zum Tennis. Das hätte ohnehin keinen Sinn. Weiß ich aus Erfahrung.

Meine Frau sagt, ich solle nicht so empfindlich sein. Ich frage Sie: Wieso bin empfindlich?

Ich kann jederzeit mein bestes Tennis abrufen: wenn es nur nicht Vollmond ist, ich mit dem richtigen Fuß aufgestanden bin, kein Kind auf der Tennisanlage schaukelt, die Nervensägen vom Nebenplatz den Mund halten, meine Gegner das richtige Maß an Unterhaltung finden und nicht irgendwelche Zuschauer, die von Ruhe auf dem Tennisplatz noch nie gehört haben, ein Höllenspektakel verursachen.
Und zugegeben: die Sonne darf mich auch nicht blenden, Bäume sollten keinen Schatten auf den Platz werfen und beim Aufschlag auf eine weiße Wand zu schauen geht gar nicht.

Aber sonst habe ich keinerlei Probleme.

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