Schlägerkauf – leicht gemacht

Für die nächste Saison brauche ich dringend einen neuen Schläger. Aber die Vielfalt ist erdrückend. Und was man alles erfährt beim Schlägerkauf.

Wussten Sie, dass bei der Herstellung von glasfaserverstärktem Kunststoff das Auffüllen der porösen Matrixstruktur über eine Gasphasenpyrolyse kohlenstoffhaltiger Gase langwieriger ist als der Flüssigphasenin-Filtrationsprozess mit anschließender Pyrolyse?

Weiß nicht jeder auf Anhieb. Nicht mal ein Tennisspieler. Und was die Schläger heute alles können.

Du weisst immer, wie sich der Ball verhalten wird (ich leider nicht); mit wenig Aufwand eine excellente Ballbeschleunigung (nicht mal mit viel Aufwand); Nonplusultra und absolute Turnierlevel-Performance (nicht bei mir); ein schnörkelloses Racket (ich habe noch nie ein Racket mit Schnörkeln gesehen); ergibt das absolut idente Spielgefühl ( was zum Teufel ist das?); für die ersten Versuche am Tennisplatz ( oder die ersten Versuche am Deutsch).

Darf ich trotz meines biblischen Alters ein Racket für junge Spieler mit schnellem Topspin-Schlag spielen oder muss ich ausweichen auf eines für Senioren, deren Explosivkraft mit zunehmendem Alter abnimmt? Warum nicht kraftvoll mit ausgeglichener Balance und großartigem Pick-up Gefühl oder für Spieler, die extra Pop suchen. Obwohl ich persönlich Pick-up-Gefühl nicht kenne und Pop nicht suche. In welcher Jahreszeit brauche ich einen Super Übergangsschläger und was ist eigentlich ein Allroundracket für Interclubspieler?

Welches Racket soll ich wählen?
Das mit dem soliderem Spielgefühl, dem sehr knackigen direkten Spielgefühl, dem außergewöhnlichen Spielgefühl oder das Unschlagbare in Gefühl und Kontrolle?
Oder doch eher das optimale Tennisracket für Clubspieler, geliebt von Generationen an Tennisspielern?

Und was noch angeboten wird:
Das Racket mit Tourperformance spielt auf höchstem Level. Ich leider nicht! Also das Gegenteil probiert: verzeiht mehr Fehler. Der Schläger vielleicht, mein Gegner nicht. Nächster Versuch: ein legendäres Racket, das einfach immer besser wird. Wie schön für das Racket, aber was ist mit mir? Oder noch knapper: für Sieger. Nach 1:6 1:6 fühlt man sich nicht so! Gibt deinen messerscharfen Schlägen bei weniger Kraftaufwand noch mehr Power. Ich habe nicht mal scharfe Messer, geschweige denn derartige Schläge. Das ideale Racket für Spieler, die jeden Zentimeter des Platzes nutzen. Nutze ich nicht, ich bin lauffaul. Was nutzt mir ein dynamisches Bespannungsbild, wenn mir selbst die Dynamik fehlt.

Ich liebe klare Aussagen:
ein Racket, das seinem Spieler ein hohes Maß an Können abverlangt oder entwickelt für den Spieler mit dem schnellsten Aufschlag der Welt. Da weiß ich wenigstens gleich: Ich bin nicht gemeint.

Ich persönlich habe mich entschieden und mir jetzt das Allerneueste zugelegt, was der Tennisschlägersektor zu bieten hat und was nicht mehr zu toppen ist: einen intelligenten Schläger. Steht auf dem Rahmen. In großen Goldlettern. Und was man Gold auf Schwarz besitzt, kann man getrost nach Hause tragen. Sagt ein altes Sprichwort. Vermutlich von Goethe. Oder von einem anderen Werbestrategen. Zugegeben, ich treffe keinen Deut besser als vorher und mein Spiel ist nicht wirklich intelligenter geworden. Und gerade da hatte ich eine Steigerung im dreistelligen Prozentbereich erwartet. Aber ich werde nicht mehr auf mein schlechtes Spiel angesprochen, sondern auf meinen phantastisch was hermachenden Schläger. Hebt das Selbstwertgefühl ungemein. Jetzt kaufe ich mir noch eine intelligente Tasche zu meinem intelligenten Schläger. Dann lege ich das Ensemble dekorativ auf die Bank und gehe auf den Platz. Mit meinem uralten Schläger, ohne Komfort, ohne Power, ohne Fehlerverzeihung und vor allem ohne jegliche Intelligenz. Dafür habe ich jetzt wieder richtig Spaß am Tennis.

Und ich glaube nie wieder etwas, das auf einem Tennisschläger steht. Und wenn es sich noch so gut liest.

© 2017 weidlichstenniswelt.com