Seit kurzem bin ich Rentner. Ich habe jetzt so viel Zeit, dass ich mit Tennis nicht mehr ausgelastet bin. Daher habe ich eine zusätzliche Sportart gesucht. Mit möglichst wenig Anstrengung und viel frischer Luft. Und ich habe Golf gefunden. Eine wunderbare Sportart. Eher Entspannung als Sport. Spazierengehen auf hohem Niveau. Keine Hetzerei von einer Ecke in die andere. Kein Schwitzen. Und keiner, der unmotiviert “Aus” ruft.
Nur: Golf ist teuer. Und meine Rente ziemlich klein. Durch meine beiden Sportarten habe ich keine Zeit für einen Halbtagsjob. Aber wir – meine Frau und ich – haben eine Lösung gefunden, die beide glücklich macht. Ich habe meiner Frau geraten, sich endlich selbst zu verwirklichen, nachdem sie als Hausfrau ja nie ausgelastet war. Daher hat sie einen Job angenommen. Einen wunderbaren Halbtagsjob. In einer Gärtnerei. Sie liebt doch Blumen und Pflanzen. Keine wirklich schwere Arbeit, wenn man vom Einpflanzen der Bäume mal absieht. Und an der frischen Luft ist sie auch. Ihre Arbeitsstelle ich nicht weit von zu Hause, mit dem Fahrrad sind es 15 Minuten. Das ist noch zusätzlich gesund. Denn das Auto brauche ich: Golftasche und Fahrrad passen nicht zusammen.
Ich habe auch die Planung für den Tagesablauf übernommen. Weil ich meine Frau entlasten will. Inzwischen wundert es mich, wie meine Frau ohne mich allein zu Haus zurecht gekommen ist. Wenn sie das Frühstück fertig hat, stehe ich auf und wir frühstücken gemeinsam, meine Frau und ich. Wenn sie dann den Tisch abgeräumt hat, muss sie los. Zur Arbeit. Manchmal ist es ganz schön hektisch für sie. Aber meinen Rat, früher aufzustehen, um mehr Zeit für die Vorbereitung des Frühstücks zu haben, hat sie nicht angenommen. Wenn sie weg ist, lese ich in Ruhe Zeitung und fahre dann zum Golf oder Tennis, je nach Jahreszeit.
Rechtzeitig zum Mittagessen bin ich wieder zu Hause. Ich habe es so geplant, dass meine Frau nach ihrer Arbeit und der fünfzehnminütigen Fahrt mit dem Rad noch genügend Zeit hat, das Essen pünktlich auf den Tisch zu bringen. Da kommt es mir auf ein paar Minuten nicht an. Ich bin ja kein Unmensch! Dass sich meine Frau etwas sputen muss, kann ich ja wohl erwarten; ich habe schließlich auch schon einen schweren Vormittag hinter mir.
Nach dem Essen mache ich gerne ein kleines Nickerchen. Zeit für meine Frau, die Küche wieder in Ordnung zu bringen oder sonstige leise Arbeiten zu erledigen. Staubsaugen während meines Mittagsschlafes liebe ich nicht. Nach dem Schlafen lasse ich mir gerne einen Kaffee machen und natürlich habe ich nichts dagegen, wenn meine Frau ein Tässchen mittrinkt.
Sie muss sich auch nicht sklavisch an den Reinigungsplan halten, den ich ihr aufgestellt habe, Hauptsache, sie schafft die vorgegebene Arbeit in der vorgegebenen Zeit. Denn wenn abends meine Kumpel zum Skat kommen, sollte es schon ordentlich in der Wohnung aussehen. Wie würde meine Frau sonst dastehen?
Den Einkauf für den Abend machen wir mit dem Auto. Gemeinsam. Ich fahre sie hin und sie kauft ein und lädt auch alles in den Kofferraum. Ich würde ihr auch beim Tragen helfen, aber Golf macht den Rücken kaputt. Natürlich könnte meine Frau auch mit dem Fahrrad das Bier holen, aber für zwei Kästen müsste sie zweimal fahren und dann würden die Frikadellen für den Abend nicht mehr fertig. Es wird schon so eng genug für sie, trotz meiner großen Unterstützung.
Meine Freunde sind von den Abenden bei uns immer ganz begeistert. Gut, ich bin ein taktvoller Ehemann und weise meine Frau immer nur ganz dezent hin, wenn Bier fehlt oder der Aschenbecher voll ist. Und egal, wie müde ich nach solchen Abenden bin, ich schaue ihr immer beim Abräumen des Geschirrs zu. Während sie die letzten Arbeiten erledigt, sitze ich bei ihr in der Küche, trinke mein Bierchen und erzähle ihr von meinem anstrengenden Golf oder Tennis. Alles miteinander zu teilen, ist für mich wichtig.
Das gilt auch für die Reparaturarbeiten im Haus. Ich bin eher der theoretische Typ, gebe die Anweisungen und bin ganz stolz, wie handwerklich geschickt meine Frau mit Schraubenschlüssel, Bohrmaschine und auch schweren Geräten in die letzten Winkel kommt. Bei den schwierigeren Arbeiten halte ich ihr natürlich die Leiter oder helfe ihr auf den Dachboden.
Seit ich Rentner bin, ist es eine schöne Tradition, dass ich am Samstag vormittag, wenn sie einkaufen geht, die Wohnung überpüfe und ihr zeige, wo sie zu putzen vergessen hat. Und trotz gelegentlicher Tadel von mir und Nachbesserungsarbeiten schafft sie es fast immer, dass nach der Sportschau das Essen auf dem Tisch steht.
Unsere Freunde und Nachbarn betonen immer wieder, welch glückliches Paar wir abgeben. Das kommt daher, weil ich meiner Frau jegliche Unterstützung angedeihen lasse und auch kein Aufhebens davon mache.
Meine Frau ist für diese Unterstützung zutiefst dankbar. Erst gestern hat sie eigenhändig Pilze gesammelt und nur für mich zubereitet. Und die ganze Zeit mir gegenüber gesessen und mich nicht aus den Augen gelassen, die Gute. Nur um zu sehen, ob es mir schmeckt. Und sie selbst hat keinen Bissen zu sich genommen, weil sie mir alles gönnte, wie sie sagt. Wie nett von ihr.
Aber jetzt muss ich mich ein wenig hinlegen. Mir geht es gar nicht gut! Sogar ausgesprochen schlecht. Um nicht zu sagen: sterbenselend. Und bevor ich wegdämmere, stellt sich mir nur eine Frage: Wie wird wohl meine Frau in Zukunft ohne mich zurechtkommen?
© 2016 weidlichstenniswelt