Ran am Netz

Ich liebe Tennis. Altmodisches Tennis. Ich schlage auf oder zurück (Service und Return), spiele die Rückhand (Backhand) als unterschnittenen Ball (Slice), die Vorhand (Forehand) mit Vorwärtsdrall (Spin), auch mal einen Flugball (Volley) oder Halbflugball (Halfvolley), ja sogar bisweilen einen Ball nach außen (inside-out oder crosscourt). Chip und chart, dropshot und kick and rush beherrsche ich gar nicht.

Aber, wie man merkt, liebe ich meine Muttersprache. Nicht nur beim Tennis, auch sonst. Weil sie mich immer wieder zum Nachdenken bringt.

Durch Zungenbrecher:“ Der Cottbusser Postkutscher putzt den Cottbusser Postkutschkasten!“; sybillinische Weisheiten :“ Ein Single ist ein Mensch, dem zum Glück der Partner fehlt“; den längsten Satz, den man vorwärts wie rückwärts lesen kann: “Ein Neger mit Gazelle zagt im Regen nie“; wundervolle Sprichworte „Der Zahn der Zeit, der schon so manche Träne getrocknet hat, wird auch über diese Wunde Gras wachsen lassen.“ oder Worte wie Heizölrückstoßabdämpfung (kein Buchstabe wiederholt sich) und Angstschweiß (die meisten Konsonanten in Folge).

Das gnaz Bsendeore der duetchsen Scparhe ist arbe, dsas es eagl ist, in wlehcer Reiehnfogle die Bchustebaen in Woeretrn vokrmomen. Es ist nur withcig, dsas der ertse und lettze Bchusatbe an der ricthgien Stlele snid. Der Rset knan total falcsh sein und man knan es onhe Porbelme leesn. Krsas oedr?

Ich liebe auch Fußball im Fernsehen. Ohne Bild. Nur Ton, wegen dieser wunderbaren Reporter-Sätze: „Philipp Lahm hat nur ein rechtes Bein.“ Habe ich Mitleid oder bin ich voller Bewunderung? Ich als Einbeiniger würde bei jedem Schussversuch lang hinschlagen. Und es dauert nicht lange: „Podolski hat leider nur einen linken Fuß, sonst wäre der Ball drin gewesen.“ Ich komme ins Grübeln: Laufen da nur Einbeinige über den Platz? Und warum hat noch keiner etwas dagegen unternommen? Zum Beispiel russische Instandsetzung wie bei der Bundeswehr: aus zwei mach eins. Gut, der eine wäre Fußball-Invalide, weil ganz ohne Beine, dafür wäre der andere „beidfüssig wie Michael Ballack, der den Ball so genial mit dem Innenrist streicheln kann.“ Im Englischen heißt dieses Streicheln mit dem Innenrist „foot erotic“ und ist in der Öffentlichkeit verboten. Was hat man sich vorzustellen, wenn „die Deutschen kopflos gegen das italienische Bollwerk anrennen?“ “Und wenn Klose mit einem Pass in die Tiefe geschickt wird“ muss er dann „ den in der zweiten Hälfte völlig untergegangenen Schneider“ suchen? Was machen die restlichen Spieler, wenn einer untergegangen ist und der andere sucht ihn? Sind das die, „ die sich auf dem Platz verstecken?“ oder die, “an denen das Spiel vorbeiläuft?“ Und was ist mit diesem Abseits, was ständig durch irgendwelche Spieler aufgehoben wird? Ist so ein Abseits schwer zu tragen und wohin wird es gebracht? Und wer bringt es zurück, weil es „kurze Zeit später schon wieder aufgehoben wird von einem, der in der Abwehr geschlafen hat?“ „Mertesacker kam ins Spiel, um den Ball im Spiel zu halten.“ Können das die anderen nicht, und wo ist der Ball dann, wenn er nicht im Spiel ist? Und was machen die Spieler in dieser Zeit? Wenn „ die Deutschen mit hängender Spitze spielen“, was hängt da und wie kann man es wieder aufrichten? Was macht ein Flankengott den Rest des Tages und wozu um Himmels willen dient bei Männern die Kapitänsbinde?

Und der Satz“ Die Holländer sind vorne bestens bestückt“ ist vollends rätselhaft für mich.

Die Älteren werden sich an Wembley 1966 erinnern, an das Tor, das keines war und doch das Endspiel entschieden hat, das Jahrhunderttor. Für mich war ein Jahrhunderttor der Mann, der von der Eisenbahnbrücke auf die Hochspannungsleitung pinkelte, um zu sehen, was passieren würde.

Ich liebe auch den Sportteil meiner Heimatzeitung
„Beide Mannschaften des Tennisclubs hatten einen rechtmäßigen Start.“

Was will uns der Autor dieser Zeilen sagen? Will er ausdrücken, dass beide Mannschaften am richtigen Tag auf der richtigen Anlage gegen den richtigen Gegner gestartet sind, dann hat er das wunderbar formuliert. Aber ist das eine Meldung wert? Oder wollte er uns etwas anderes mitteilen: dass sie nämlich einen recht mäßigen, und damit keinen guten Start hatten?

Ist also ein rechtmäßiger Ehemann dasselbe wie ein recht mäßiger? Oder eine recht mäßige Geliebte rechtmäßig, ob wohlgefällig oder wohl nur gefällig? Und wird eine recht mäßige Geliebte zur rechtmäßigen Ehefrau, egal, ob sie nun in zulässiger oder zu lässiger Kleidung vor dem Traualtar erscheint, merkt spätestens dann der Mann, ob sie ihm zugewandt oder aber zu gewandt, vielversprechend oder aber viel versprechend war. Und für Mainzer ist es von großer Bedeutung, ob es beim Jawort fast Nacht oder Fastnacht war.

Zurück zum Tennis: In der einer Turnierausschreibung habe ich gelesen: “ Jedes Spiel wird grundsätzlich mit drei Bällen ausgetragen.“ Ich selbst bin schon froh, wenn ich nur einen Ball im Spiel halten kann und dann gleich drei. Kein Wunder, dass die Teilnehmerfelder immer kleiner werden – bei den Anforderungen.

Ein Tennisspieler muss auch in Erdkunde bewandert sein: Wenn Sie gegen einen Hallenser spielen, sind sie in Sachsen, in Westfalen spielen sie gegen einen Haller. Und zumindest bei einem Auswärtsspiel ist es ein gewaltiger Unterschied, ob sie gegen einen reichen Haller oder einen Reichenhaller spielen.

Lehrer werden mir für diesen Beitrag keine gute Note geben, da ich manche Sätze mit „ Und“ angefangen habe. Seit Johann Wolfgang von Goethe schrieb, man solle besser “man gibt sich Mühe“ als „Und man gibt sich Mühe“ schreiben, weil die Sprache der feinen Gesellschaft sich so von der des gemeinen Volkes abheben könne, halten es alle Deutschlehrer bis heute für einen Fehler, einen Satz mit „Und“ zu beginnen. Andererseits steht in der Bibel:“ Gott sprach: Es werde Licht. Und es ward Licht. Und Gott sah, dass es gut war.“ Wer hat nun Recht: Goethe oder die Bibel? Ich weiß es nicht, aber ich werde einen fragen, der sowieso immer alles besser weiß: meinen Mannschaftsführer.

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