von Winfried Weidlich

Am 23.08.2022 fasste das Sportgericht des Deutschen Tennisbundes einen für unseren Sport höchst bedeutsamen Beschluss. Wir veröffentlichen an dieser Stelle eine Zusammenfassung dieses Beschlusses. Wir empfehlen, wenn möglich, die komplette Lektüre dieses Beschlusses.
Quelle: Sportgericht des DTB AZ: 10-2022 vom 23.08.2022
Sachverhalt
In einem Spiel der Herren am 08,05.2022 in der Regionalliga West setzte die Heimmannschaft einen Spieler ein, der am 07.05.2022 bei den Herren 30 in der Westfalenliga bereits für einen anderen Verein einen Einsatz absolviert hatte.
Gegen die Wertung der Begegnung (5:4 für Heim) legte die Gastmannschaft Einspruch ein mit der Begründung, dass der bereits in der Westfalenliga in der AK30 eingesetzte Spieler für die Begegnung der Regionalliga nicht hätte eingesetzt werden dürfen.
Vom zuständigen Spielleiter wurde der Einspruch gegen die Wertung der Begegnung zurückgewiesen und und vom Sportausschuss der RL West wurde der Widerspruch gegen die Zurückweisung des Einspruchs ebenfalls abgewiesen.
Daraufhin legte die Gastmannschaft beim DTB Beschwerde ein.
Grundsätzliche Anmerkungen des DTB-Sportgerichts
Das Sportgericht schickt voraus, dass es in diesem Fall allein zu beurteilen hat, ob ein Spieler, der in der Regionalliga für einen Verein eines Verbandes gemeldet ist, auch noch für einen anderen Verein – unabhängig von der jeweiligen Klasse – spielen darf. Nicht zu entscheiden war, so der Sportausschuss in seinem Beschluss, ob ein Spieler in niedrigeren Klassen möglicherweise für zwei Vereine desselben Verbandes antreten darf. Völlig unerheblich ist auch, ob mögliche Gastspielregelungen der einzelnen Verbände „Öffnungsklauseln“ beinhalten, weil es hier allein um die für den Regionalligabereich geltende Vorschrift des § 4 Ziffer 2 DTB WO geht, der nicht durch Regelungen in Wettspielordnungen der einzelnen Verbände „ausgehebelt“ werden kann. Die genannte Norm steht im „Allgemeinen Teil” der DTB WO und gilt deshalb für alle dem DTB angeschlossenen Verbände und Vereine.
Die Entscheidungsgründe des Sportgerichts des DTB (Auszug)
Die zulässige – insbesondere form- und fristgerecht eingelegte – Beschwerde ist begründet mit der Folge, dass die Entscheidungen des Spielleiters vom 12.05.2022 und des Spielausschusses der Regionalliga West vom 25.05.2022 aufzuheben sind und das Spiel am 08.05.2022 zwischen der Herrenmannschaft des Beschwerdeführers (Gast) und der des Beigeladenen (Heim) mit 9:0 zugunsten der Mannschaft des Beschwerdeführers zu werten ist.
Zutreffend macht der Beschwerdeführer geltend, dass der Spieler xxx am 08.05.2022 nicht spielberechtigt war, weil er bereits am 07.05.2022 für einen anderen Verein desselben Verbandes am Tag zuvor angetreten war.
Gem. § 4 Ziffer 2 der DTB WO darf ein Spieler in der Zeit vom 01.04. eines Jahres bis zum
30.09. desselben Jahres nur für einen Verband des DTB und für einen diesem Verband an-
geschlossenen Verein für offizielle Mannschaftswettkämpfe gemeldet werden.
Die Auslegung des Spielleiters sowie des Spielausschusses, wonach sich das „nur“ allein auf den Verband, nicht aber auf den Verein beziehe, hält das Gericht für unzutreffend. Vielmehr muss
das „nur“ selbstverständlich auch in Bezug auf den Verein gelten.
Im Einzelnen:
Die vom Spielleiter und dem Spielausschuss vorgenommene Auslegung ergibt schon unter sprachlichen Gesichtspunkten keinen Sinn. Wenn sich das „nur“ allein auf den Verband
bezöge, so hätte es des nachfolgenden Passus “einen diesem Verband angeschlossenen
Verein” nicht bedurft, er wäre schlicht überflüssig. Dementsprechend ist davon auszugehen,
dass der Normgeber den entsprechenden Passus weggelassen hätte, wenn sich die Norm
allein auf den Verband hätte beziehen sollen.
Selbst wenn man abweichend von den vorigen Ausführungen der Meinung wäre, dass die Vereinspassage ausdrücklich hinzugefügt wurde, um die Spielberechtigung für mehr als einen Verein festzuschreiben, so ergibt auch dies keinen Sinn. Dann wäre nämlich zu erwarten
gewesen, dass zur Vermeidung von Missverständnissen zumindest die Formulierung „und
für diesem Verband angeschlossene Vereine“ gewählt worden wäre.
Es kann mithin kein Zweifel daran bestehen, dass Spieler im Regionalligabereich nur für einen Verband und (nur) für einen Verein antrittsberechtigt sind.
Auslegungen eines Tennisspielers zu § 4 Wettspielordnung DTB
DTB-Wettspielordnung
§4 Spielberechtigung
2.Ein Spieler darf in der Zeit vom 01.04. eines Jahres bis zum 30.09. desselben Jahres nur für einen Verband des DTB und für einen diesem Verband angeschlossenen Verein für offizielle Mannschaftswettkämpfe gemeldet werden.
Den Beschluss des Sportgerichts schafft Klarheit. Trotzdem halte ich persönlich abweichend von den Auslegungen des Sportgerichts weitere Interpretationen für möglich:
- Ein Spieler darf nur für einen Verband des DTB für offizielle Mannschaftswettkämpfe gemeldet werden und ein Verein, für den ein Spieler für offizielle Mannschaftswettkämpfe gemeldet wird, muss diesem Verband angehören.
- In der Aussage “.. nur für einen Verband des DTB und für einen diesem Verband angeschlossenen Verein .. wird einen nicht als Zahlwort, sondern als unbestimmter Artikel gebraucht, sonst hätte der Normgeber den Begriff “und für einen einzigen diesem Verband angeschlossenen Verein …” verwendet
- Das Sportgericht führt aus, dass das „nur“ sich nicht nur auf den Verband bezieht, sondern selbstverständlich auch in Bezug auf den Verein gilt. Gleichzeitig führt das Sportgericht aus:
Es kann mithin kein Zweifel daran bestehen, dass Spieler im Regionalligabereich nur für einen Verband und (nur) für einen Verein antrittsberechtigt sind.
Das Sportgericht führt das entscheidende “nur” selbst an der Stelle auf, an der es das “nur” eigentlich für überflüssig hält. - Wenn, wie das Sportgericht ausführt, der Passus “einen diesem Verband angeschlossenen
Verein” überflüssig wäre, hieße es: “Ein Spieler darf in der Zeit vom 01.04. eines Jahres bis zum 30.09. desselben Jahres nur für einen Verband des DTB für offizielle Mannschaftswettkämpfe gemeldet werden.”
Mannschaftsspiele für einen Verband sind nur die “Großen Spiele; Mannschaftspiele im Verein sind nicht Spiele für einen Verband, sondern für einen Verein in einem Verband.
Ich gehe davon aus, dass zu diesen oder ähnlichen Interpretationen auch die Landesverbände gelangt sind , die in ihren Wettspielordnungen das Spielen in zwei Vereinen unter besonderen Bedingungen erlauben.
Auswirkungen dieses Beschlusses auf die nächste Saison
Einerseits betont das Sportgericht, dass es einen Beschluss nur für diesen konkreten Fall getroffen hat. Andererseits führt es aus, dass die Norm des §4 WO im “Allgemeinen Teil” der DTB WO aufgeführt ist und damit für alle dem DTB angeschlossenen Verbände und Vereine gilt.
Daraus folgert, dass der DTB für die nächste Saison die Wettspielordnung zumindest in diesem Punkt so ändern muss, dass Klarheit geschaffen wird, für alle Spieler in allen Verbänden und alle Mannschaften egal welcher Spielstärke .
Wenn der DTB möchte, dass es unter bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen die Möglichkeit geben soll, in zwei Mannschaften zu spielen, dann muss er das klar formulieren.
Und genauso klar muss er es formulieren, wenn er das Spielen in zwei Vereinen untersagen möchte.
Wichtig ist eine Aussage ohne Interpretationsmöglichkeiten, die dann wieder nur zu Eingaben und Beschwerden führen. Darauf können alle verzichten.
Auswirkungen dieses Beschlusses auf die abgelaufene Saison
Der Beschluss des Sportgerichts datiert vom 23.08.2022. und war den Verantwortlichen beim DTB sicher vor Beginn der Endrunde der Deutschen Vereinsmeisterschaften bekannt. Es war also bekannt, dass einige an der Endrunde teilnehmenden Mannschaften von diesem Urteil betroffen sein könnten.
Meiner Ansicht nach hat der DTB richtig entschieden, die Endrunde mit den zu diesem Zeitpunkt qualifizierten Mannschaften durchzuführen. Der Beschluss des Sportgerichts bezieht sich einzig auf den verhandelten Fall. Insofern gehe ich davon aus, dass aus juristischen Gründen Folgerungen für andere Mannschaften kurzfristig nicht zwingend geboten waren.
Auf Grund der besonderen Situation – der Beschluss erging kurz vor der bereits feststehenden Endrunde, auf die sich alle Mannschaften einschließlich der Ausrichter bereits vorbereitetet hatten- konnte der DTB im Grunde nicht anders handeln, weil die Dimensionen möglicher Konsequenzen rechtlicher oder wirtschaftlicher Art überhaupt nicht abzusehen waren.
Jede Mannschaft der Endrunde hat die Möglichkeit der Beschwerde beim Sportgericht und wird vermutlich dann auch Recht bekommen. Ich hoffe, es wird nicht dazu kommen und die Deutschen Meister bleiben auf sportlicher Ebene qualifiziert.
Kein Fehler der betroffenen Vereinen
Betroffene Vereine, in deren Landesverbands-Wettspielordnung es die Möglichkeit gab, in zwei Vereinen zu spielen, haben, wenn sie sich an diese Landeswettspielordnung gehalten haben, keinen Fehler gemacht. Denn die Vereine haben nicht gegen Regelungen ihre Landes-WO verstoßen. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass Ordnungen ihres Landesverbandes mit den Ordnungen des DTB im Einklang stehen. Mögliche Unrichtigkeiten oder Unstimmigkeiten zwischen DTB-Ordnungen und Landesordnungen dürfen nicht zu Lasten oder auf dem Rücken der Vereine oder gar der Spielerinnen und Spieler ausgetragen werden.
Fazit
Der Beschluss des Sportgerichts ist für mich wegweisend. Er bringt endlich Klarheit für die Zukunft, wenn der DTB reagiert und die Wettspielordnung entsprechend gestaltet. Gleichzeitig führt er zu einer gewissen Verunsicherung, weil Auswirkungen dieses Beschlusses noch abgewartet werden müssen. Die Regionalliga West hat bereits reagiert und die betroffenen Spiele neu in einer angemessenen Form bewertet.
Der Beschluss sollte im Nachhinein keine großen Auswirkungen nach sich ziehen. Die Sommersaison 2022 ist vorbei und nachkarten bringt nichts, von Ausnahmefällen vielleicht einmal abgesehen. Die Konzentration sollte allgemein der nächsten Saison gelten.