Landgericht Hamburg – ein bedeutsames Urteil für unseren Sport

Am 24.01.2022 fällte das Landgericht Hamburg ein für unseren Sport höchst bedeutsames Urteil – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Wir geben an dieser Stelle eine Zusammenfassung des Urteils nach unserem Verständnis und empfehlen natürlich die komplette Lektüre dieses Urteils.
Zum Urteil Landgericht Hamburg 13. Zivilkammer vom 24.01.2022 AZ 313 T 2/22

Sachverhalt (Auszüge aus dem Urteil)

In der 2. Bundesliga Herren Gruppe Süd trafen am 30.07.2021 die Mannschaften des TC Augsburg Siebentisch (Heim) und des Qool TC Weiß-Blau Würzburg (Gast) aufeinander.
Der Spielbeginn war auf 13.00 Uhr angesetzt. Um 12.45 Uhr übergaben die Mannschaftsführer beider Mannschaften auf der Anlage dem Oberschiedsrichter die namentliche Mannschaftsaufstellung der Einzelspieler.
Der Q. TC W.- B. W. hatte dabei auf Platz 1 den Spieler G. K. eingetragen. Der Spieler K. hatte am 28.07.2021 an einem Tennisturnier in Spanien teilgenommen und hielt sich insgesamt länger als 72 Stunden in Spanien auf. Spanien war zu diesem Zeitpunkt seit dem 23.07.2021 vom Robert-Koch-Institut in Gänze als Hochinzidenzgebiet eingestuft.
Der Mannschaftsführer der Mannschaft des Klägers machte den Oberschiedsrichter des Spiels vom 30.07.2021 nach Offenlegung der Mannschaftsaufstellungen u.a. auf den Umstand aufmerksam, dass der Spieler K. sich zuvor in Spanien aufgehalten hatte. Der Vorstand des Klägers sprach gegen den Spieler K. ein Hausverbot für die Tennisanlage des Klägers aus. Der Spieler K. verließ daraufhin die Tennisanlage und unterzog sich im weiteren Verlauf des Nachmittags einem Corona-Schnelltest, dessen Ergebnis negativ war. Sein Einzelspiel wurde zugunsten des an Position 1 eingesetzten Spielers der Mannschaft des Klägers kampflos als gewonnen gewertet.
Insgesamt endete das Spiel zwischen dem Kläger und dem Q. TC W.- B. W. mit 3:6.
Am Ende der Spielzeit wurde die Mannschaft des Klägers auf dem neunten und letzten Tabellenplatz der 2. Bundesliga Süd geführt; die Mannschaft des Q. TC W.- B. W. wurde auf dem achten und vorletzten Tabellenplatz geführt. (Quelle: BTV Spielbetrieb Bundesliga)
Die Mannschaft auf dem letzten Tabellenplatz steigt nach der Wettspielordnung des Beklagten in die Regionalliga ab.

Der weitere Ablauf (Auszüge aus dem Urteil)

Der Kläger erhob am 03.08.2021 Einspruch gegen die Wertung des Spiels vom 30.07.2021. Dieser Einspruch wurde durch Entscheidung der Einspruchsinstanz des Beklagten vom 22.08.2021 zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger wiederum form- und fristgerecht am 30.08.2021 Beschwerde zum Sportgericht des Beklagten ein. Das Sportgericht des Beklagten wies die Beschwerde mit Urteil vom 27.10.2021zurück.
Der Kläger hat mit Datum vom 22.11.2021 Klage und Antrag auf einstweilige Verfügung beim Landgericht A. eingereicht und beantragt, den Kläger für die Spielzeit Sommer 2022 in den Wettbewerb Bundesliga Herren Gruppe Süd einzuteilen. Das Landgericht A. hat das Verfahren mit Beschluss vom 30.11.2021 an das Amtsgericht A. verwiesen. Das Amtsgericht A. hat mit Beschluss vom 07.12.2021 das Verfahren wegen örtlicher Unzuständigkeit an das Amtsgericht Hamburg verwiesen. Das Amtsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 21.12.2021 den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Gegen den am 23.12.2021 zugestellten abweisenden Beschluss des Amtsgerichts hat der Kläger am 28.12.2021 sofortige Beschwerde eingelegt.

Die Feststellungen des Landgerichts Hamburg (Auszüge aus dem Urteil)

Zuständigkeit der staatlichen Gerichte
Der Antrag des Klägers ist zulässig. Eine Überprüfung der Entscheidung des DTB-Sportgerichts vom 27.10.2021 durch die ordentliche Gerichtsbarkeit ist nach den Maßstäben der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht ausgeschlossen.
Das DTB-Sportgericht ist kein Schiedsgericht i. S. der §§ 1025 ff. ZPO, das an die Stelle der staatlichen Gerichte tritt, und seine Entscheidung kein Schiedsspruch. Vielmehr ist das Sportgericht des Beklagten ein vereinsinternes Gericht, d. h. ein verbandsinternes Organ, dem in Ausübung der autonomen, Verbänden zustehenden Befugnis zur inneren Selbstorganisation eine Entscheidungszuständigkeit in bestimmten satzungsmäßig geregelten Bereichen zugewiesen ist. Solche Entscheidungen der Vereins- oder Verbandsgerichte sind nun aber grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften, d. h. in der Regel mit der Klage nach den §§ 253 ff. ZPO, überprüfbar. Dies gilt für Entscheidung des Sportgerichts im Bereich der Wettspielordnung umso mehr, als dass in § 63 S.2 WSO die Anrufung der ordentlichen Gerichte nur von der Erschöpfung der Instanzen des Beklagten abhängig gemacht wird, aber eben gerade nicht generell ausgeschlossen wird.

Wertung des Spiels vom 30.07.2021
Die Wertung der o.g. Partie vom 30.07.2021 mit 9:0 Matchpunkten ist aufgrund von § 60 Nr.1 UAbs.1 WSO geboten, da der Gegner einen nicht spielberechtigten Spieler, nämlich den Spieler G. K., im Einzel eingesetzt hat, wobei von einem „Einsetzen“ im Sinne der genannten Norm wegen § 58 Nr.9 WSO bereits mit der Offenlegung der Mannschaftsaufstellung vor Beginn der eigentlichen Spiele auszugehen ist.
Der Spieler K. war am 30.07.2021 nicht offensichtlich spielfähig i.S.v. § 58 Nr.3 S.1 WSO. Unter dem – in der WSO nicht näher definierten – Begriff der Spielfähigkeit sind aus systematischen Gründen nicht die in §§ 4, 28, 58 Ziff.7 und 8 aufgeführten personenbezogenen Voraussetzungen zu verstehen, sondern die über die bloße physische Anwesenheit hinausgehende körperliche und gesundheitsbezogene Fähigkeit zur Teilnahme an einem Wettbewerbstennisspiel. Sinn und Zweck von § 58 Nr.3 S.1 WSO ist jedenfalls auch die Vermeidung der Wettbewerbsverzerrung, die dadurch entsteht, dass beim Einsatz eines nicht spielfähigen Spielers die Spieler des Gegners (hier also des Klägers) sich in ihren jeweiligen Einzeln leistungsstärkeren Spielern gegenübersehen als bei einem Nichteinsatz des nicht spielfähigen Spielers und dem Aufrücken der eigentlich leistungsschwächeren Mannschaftskollegen dieses nicht spielfähigen Spielers.

Unter Berücksichtigung dieses Regelungszweckes ist § 58 Nr.3 S.1 WSO so auszulegen, dass sich eine gesundheitsbezogene Unfähigkeit zur Teilnahme an einem Wettbewerbsspiel auch aus einer Missachtung dem Gesundheitsschutz auch der Mitspieler und Gegner dienender zwingender staatlicher Infektionsschutzmaßnahmen, namentlich Maßnahmen zur Coronabekämpfung ergibt.
Hier ist – bereits nach dem unstreitigen Sachverhalt – davon auszugehen, dass der Spieler K. vom Q. TC W.- B. W. bei Abgabe der Einzelaufstellung zwar anwesend war, dies aber nur unter Verstoß gegen die geltenden Maßnahmen zur Coronabekämpfung.
Da ganz Spanien seit dem 23.7.2021 vom Robert-Koch-Institut als Hochinzidenzgebiet eingestuft war, hätte der Spieler K. gemäß § 3 Abs.1 CoronaEinreiseV eine digitale Einreiseanmeldung abgeben und sich nach der Einreise absondern müssen. Er hätte sich demnach am 30.07.2021 noch in Absonderung befinden müssen.

Die Kammer hat in Anwendung des ihr von § 938 ZPO eröffneten Spielraums bewusst davon abgesehen, unter weiterem Eingreifen in die Autonomie des Beklagten eine Regelung dazu zu treffen, ob anstelle des Klägers der Q. TC W.- B. W. abzusteigen hat oder ob die Staffel der 2. Bundesliga Süd von 9 auf 10 Mannschaften aufgestockt wird. Indessen erscheint es naheliegend, dass der Beklagte die letztgenannte Lösung wählt, um auch insoweit eine Vorwegnahme der Hauptsache zu vermeiden.

Fazit

Das Urteil des Landgerichts Hamburg ist deutlich umfassender als unsere Zusammenfassung. Für im Rechtswesen eher Unbewanderte ist es nicht immer leicht zu lesen, dafür aber nicht nur hochinteressant, sondern geradezu spannend und natürlich sehr informativ.

Anmerkung der Redaktion:
Die 2. Bundesliga Herren Süd wird in der Spielzeit 2022 mit 10 Mannschaften durchgeführt