Die Quadratur des Kreises – der Vergleich von Rangliste und LK

ganz persönliche Anmerkungen von Winfried Weidlich

Zur Erinnerung

Beim Ranglisten-System gibt es je nach Kategorie des Turniers Punkte für erreichte Runden, unabhängig davon, wie stark der Gegner ist; beim LK-System gibt es Punkte nach der LK-Stärke des Gegners unabhängig davon, bei welchem Turnier oder in welcher Runde man gewonnen hat.

Bei Deutschen Meisterschaften oder Landesverbandsmeisterschaften, bei denen nur Spieler mit einer DTB-Identitätsnummer starten, gibt es entsprechend der Turnier-Kategorie und der erreichten Runde Punkte für die Rangliste und gleichzeitig ist jeder Sieg auch eine Wertung für die Verbesserung der eigenen LK.
Bei ITF- und DTB-Turnieren in Deutschland treffen die Spieler sehr häufig, aber nicht immer, auf Gegner mit einer LK. Dementsprechend zählt ein Sieg nur dann für die eigene LK, wenn auch der Gegner im Besitz einer LK ist.
Bei ITF-Turnieren im Ausland wird mit zunehmender Entfernung von Deutschland die Chance immer geringer, für Siege neben Ranglispenpunkten auch LK-Punkte zu erhalten, weil nur wenige ausländische Spieler eine LK besitzen.
Bei den Weltmeisterschaften der Herren 70 im letzten Jahr hat ein deutscher Spieler nach sechs Siegen den Titel geholt und damit 1500 Ranglisten- Punkte gewonnen, aber nicht einen einzigen Punkt für seine LK, weil er seine Siege allesamt gegen ausländische Spieler ohne deutsche LK erzielt hat.

Die Bedeutung des Zeitfaktors für Rangliste und LK

Für die Rangliste werden nur Ergebnisse gewertet, die, vom Ranglistenstichtag aus gesehen, innerhalb der letzten zwölf Monate erspielt wurden. Zum Stichtag 30.09.2022 werden z.B. die Ergebnisse vom 01.10.2021 – 30.09.2022 erfasst.
Die LK wird ohne zeitliche Begrenzung berechnet; in die Berechnung fließen alle Siege und der wöchentliche Punkteabzug ein, in der Wertung bleiben also alle seit Beginn der LK-Einführung erzielten Punkte erfasst.

Ein Beispiel für die Bedeutung des Zeitfaktors
Am 01.10.2022 beschließt ein Spieler der AK70 , ab sofort keinerlei Turniere mehr zu spielen. Zu diesem Zeitpunkt hat er die LK 5,0 und steht in den TopTen der Rangliste der Herren 70.
In der Rangliste vom 30.09.2023 ist dieser Spieler nicht mehr vertreten, hat aber nach zwölf Monaten ohne ein einziges Spiel immer noch die LK 5,6 oder 5,7 (je nach LK-Begleitwert am 30.09.2022).
Am 30.09.2024 hätte er immer noch eine LK von 6,3 oder 6,4 – und hat inzwischen zwei Jahre lang kein LK-relevantes Spiel bestritten.

Durchführungsbestimmungen zur Leistungsklassenordnung DTB §10 (7.)
Nach einer Spielpause von 12 Monaten reduzieren sich die in diesem Zeitraum angesammelten Motivationsaufschläge automatisch um 50%. Bis zum nächsten LK-relevanten Spiel werden dann weiterhin nur halbierte Motivationsaufschläge berechnet.

Die Problematik bei Mannschaftsmeldungen

Zu der Zeit, in der ich diesen Artikel schreibe, hat ein Senior der AK70 die LK 4,5. In der Deutschen Rangliste der AK 70 hat er keinen Platz unter den besten 50.

Nehmen wir nun an, dass zum Zeitpunkt der Mannschaftsaufstellung für die Sommersaison 2023 im März 2023 dieser Spieler immer noch die LK 4,5 besitzt. In der Mannschaft dieses Spielers wurden für die Sommersaison 2023 mehrere Spieler verpflichtet, die in der Rangliste deutlich besser platziert sind, aber eine schlechtere LK als 4.5 besitzen. Dann wird vermutlich unser Senior mit seiner Ranglistenposition hinter diesen in der Rangliste besser platzierten Spielern gemeldet. Das aber wiederum hat in einigen Regionalligen zur Folge, dass alle vor diesem Senior mit der LK 4,5 gemeldeten Spieler ebenfalls mindestens diese LK 4,5 erhalten, falls sie zum Zeitpunkt der Mannschaftsmeldung eine schlechtere LK hatten. Sie werden hochgestuft und können ihre LK ohne ein einziges Spiel zum Teil deutlich verbessern und diese verbesserte LK ist ab sofort Grundlage der nächsten LK-Berechnung.

Durchführungsbestimmungen zur Leistungsklassenordnung DTB §10 (3.)
Umstufung: In begründeten Fällen können vom Landesverband im Rahmen der Standardbesteinstufung bzw. in der Bundesliga Herren 30 und den Regionalligen aller Altersklassen von den jeweils zuständigen Gremien auch Umstufungen vorgenommen werden, allerdings nur im Zeitraum der namentlichen Mannschaftsmeldungen

Ich halte eine derartige Umstufung nicht nur für problematisch, sondern geradezu für kontraproduktiv. Der Grundgedanke des LK-Systems ist, eine Leistung, sprich den Sieg gegen einen anderen Spieler zu belohnen. Ein Spieler verbessert demnach seine LK durch Siege gegen andere Spieler. Ich finde unser bestehendes LK-System in seinem Hauptbestandteilen deshalb so ausgewogen, weil Leistung angemessen belohnt wird. Je nach der eigenen LK und der LK des Gegners fällt die Belohnung durch entsprechende Punktzahlen und daraus resultierende Berechnungen unterschiedlich aus. Aber der Grundsatz bleibt: ohne Sieg keine Verbesserung.

Bei der Verbesserung der LK durch Umstufung auf Grund einer Mannschaftsmeldung vermag ich keine Leistung zu erkennen. Derselbe Spieler, der in Mannschaft A durch Umstufung seine LK zum Teil deutlich verbessert, bleibt in Mannschaft B ohne LK-Verbesserung durch Umstufung, weil kein hinter ihm in der Mannschaftsaufstellung gemeldeter Spieler eine bessere LK besitzt. LK-Verbesserungen durch Umstufungen haben rein gar nichts mit der Spielstärke zu tun. Umstufungen sind in meinen Augen rein formale Akte. Sie helfen sicher bei der Berechnung der Spielstärke von Mannschaften und damit bei der Berechnung von Setzungen in den Regionalligen oder bei der Endrunde. Diese Berechnungen wären im PC-Zeitalter nicht komplizierter, wenn in den Aufstellungen zumindest in den Regionalligen nicht nur die LK, sondern zuerst die RL-Pos. und dann die LK aufgeführt wären.
Ein Spieler, der in der Mannschaftsmeldung auf Grund individueller Spielstärke mit einem schlechteren Ranglistenplatz vor einem Spieler mit einem besseren Ranglistenplatz gemeldet wird, verbessert übrigens seinen (schlechteren) Ranglistenplatz nicht. Umstufungen geschehen nur bei der LK, niemals bei einem Ranglistenplatz.
Für nachgerade abenteuerlich halte ich manche LK-Einstufungen für ausländische Spieler, die nicht in der ITF-Rangliste oder in der Deutschen Rangliste zu finden sind. Man kann man sich des Gefühls nicht erwehren, dass es bisweilen um rein taktische Aufstellung mit recht wenig sportlichen Hintergrund geht.
Das erinnert mich an Zeiten, als es noch keine LK gab und (fast) jede Mannschaft so aufstellte, wie es den größtmöglichen Vorteil versprach.
In den unteren Ligen, in denen nur selten Ranglistenspieler anzutreffen sind, hat sich die Aufstellung nach LK absolut bewährt.

Wettspielordnung DTB § 5
1. Maßgeblich für die Feststellung der Spielstärke ist die jeweils gültige Deutsche Rangliste, dann das LK-System.
3. Für Spieler ab Damen 30/Herren 30 kann in Einzelfällen eine Einstufung der individuellen Spielstärke unter Berücksichtigung sportlicher Aspekte (u. a. von in der Vergangenheit erzielten Ergebnissen) vorgenommen werden.

Altersklassen in Rangliste und LK

Jeder Spieler, der genügend Punkte erspielt hat, wird in der Rangliste aufgeführt, aber nur in der Rangliste seiner Altersklasse. Die erspielte LK ist altersklassenunabhängig. Über seine Ranglistenposition wird ein 60-64jähriger Senior stets sagen: ich bin Nr. 5 der AK 60. Bei der Aussage über seine LK wird er sein Alter eher nicht hinzufügen.

Leistungsklassen kann man altersübergreifend nennen, weil jeder Spieler von Herren bis AK 85 fast jede LK erspielen kann. Nicht wirklich jede, aber fast jede. In der Praxis, also im Spiel gegeneinander, sind LK nicht wirklich altersübergreifend. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Spieler der AK80 mit der LK 6,7 viele Spieler jüngeren Alters mit eben dieser LK 6,7 wird schlagen können, auch wenn er in seiner AK absolute Weltklasse ist.

Was ist aussagekräftiger: Ranglistenposition oder LK?

Diese Frage ist nicht wirklich zu beantworten. Im folgenden haben wir die Altersklassen 65-80 bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Essen ausgewertet und bei Siegern bis hin zu den Viertelfinalisten die Positionen in der Rangliste und die LK vermerkt.
Zur Erläuterung:
in der AK 65 hatte der Sieger die RL-Platz 21 und die Lk 5,9, der Zweite RL-Platz 4 und LK 5,1, die Halbfinalisten RL-Platz 35 und LK 6,9 bzw. RL-Platz 22 und Lk 6,0 usw.

Nach der Auswertung dieser vier Altersklassen sind Schlussfolgerungen nicht möglich, ob RL-Position oder LK aussagekräftiger für die Spielstärke eines Spielers sind. Bei Turnieren beeinflussen Tagesform, die Besetzung des Turniers, eine glückliche oder weniger glückliche Auslosung oder auch Aufgaben und Verletzungen von Spielern den Ausgang eines Turniers.

Wenn es um die Top-Positionen einer Rangliste geht, halte ich die Rangliste für aussagekräftiger als eine LK, weil jeder Top-Spieler mehrere oder gar viele Spiele national und auch international erfolgreich bestritten hat.

Leistungsklassen in einer Gesamtbetrachtung

Das Leistungsklassen-System, so ausgewogen die Berechnungen des jetzigen Systems im Großen und Ganzen auch sind, leidet immer noch an Fehlern, die bei der Einführung des Systems in den Jahren 2007 bis 2010 gemacht wurden. Ganz generell wurden in nicht wenigen Landesverbänden gerade die älteren Altersklassen zu gut eingestuft und das damals praktizierte System führte dazu, dass diese zu guten Einstufungen recht leicht bestätigt oder sogar noch verbessert werden konnten.
Bei der Einführung des neuen LK-System im Oktober 2020 hätten im Grunde viele Fehler des alten Systems berichtigt werden müssen. Das ist aus verschiedenen, zum Teil sogar nachvollziehbaren Gründen nicht geschehen. So besitzen nicht wenige Spieler LK, die in einer Gesamtbetrachtung nur sehr schwer nachzuvollziehen sind.

Meiner Ansicht gibt es zwei Möglichkeiten:

Weiterführung des LK-System wie bisher
Das LK-System bleibt im Grunde unverändert. Man nimmt ein Ungleichgewicht der zum Teil zu guten Leistungsklassen besonders in älteren Altersklassen in Kauf, weil ohnehin bei Turnieren die weitaus meisten Spieler in ihren Altersklassen und nur selten ältere Spieler in jüngeren Altersklassen starten. Ein Senior der AK 70 mit LK4,5 wird vielleicht auf einen Senior der AK 65 mit dieser LK treffen, aber es ist nicht wahrscheinlich, dass er auf einen Senior mit LK4,5 in der AK 60 oder gar in einer jüngeren Altersklasse trifft. Und dann muss er eben damit rechnen, dass er ein derartiges Spiel vermutlich nicht gewinnen kann.
Insofern wird sich früher oder später die Gewissheit durchsetzen, dass auch die LK immer auf die Altersklasse oder das Alter des LK-Inhabers bezogen ist. Damit steht jeder Spieler mit seiner LK immer nur in Konkurrenz zu seinen Altersgenossen. Vergleiche über mehrere Altersklassen hinweg zwischen zwei Spielern mit derselben LK sind weder sinnvoll noch angemessen und kommen auch so selten vor, dass sie für die Betrachtung des Gesamtsystems nicht wichtig sind.
Große Änderungen im LK-System sind nicht notwendig. Der wöchentliche Punktabzug (Motivationsaufschlag genannt) sollte als Regulativ bleiben, der Altersklassenfaktor hat keine Berechtigung mehr und sollte wegfallen.

Änderung des LK-Systems durch Einführung von Höchst-LK in den Altersklassen
Es ist unbestritten, dass manche Spieler eine LK erspielt haben, die für ihre Altersklasse zumindest ungewöhnlich sind. Es gäbe die Möglichkeit, die Höhe der LK für jede Altersklasse zu deckeln.
Denkbare LK-Begrenzungen wären:
– AK 50 auf bestens LK 5,0
– AK 60 auf bestens LK 7,0
– AK 70 auf bestens LK 9,0

Eine derartige Regelung würde ohne Zweifel die z.Zt. vorhandenen außergewöhnlichen Spitzen verhindern und zu einer gewissen Nivellierung führen. Am System würde sich grundsätzlich nichts ändern. Nur dass z.B. die besten Spieler der AK 60 sich nicht wie bisher über die LK4-LK 7 verteilen, sondern sich vermutlich alle zwischen LK 7,0 und LK 7,1 wiederfinden würden. So ähnlich würde es sich vermutlich auch in den anderen Altersklassen entwickeln. Durch eine derartige Nivellierung würde die Bandbreite in jeder Altersklasse deutlich geringer, was ja auch gewünscht sein könnte, aber gleichzeitig wären die Unterschiede zwischen den LK der Spitzenspielern auch geringer.
Bei vielen Spielern würde sich bei dieser Lösung die über die Jahre erspielte LK deutlich verschlechtern. Auch mit dieser Regelung wäre die LK immer noch nicht altersübergreifend und Probleme bei Mannschaftsaufstellungen würden auch nicht wesentlich geringer werden.
Das Interesse vieler Spieler an der Verbesserung der eigenen LK würde vermutlich deutlich nachlassen.

Mein persönliches Fazit

Kein System, das die Spielstärke eines Tennisspielers berechnen soll, ist perfekt. Nicht die Weltrangliste der ITF, nicht das österreichische ITN-System und auch nicht die Berechnung der Deutschen Rangliste oder das LK-System. Ich finde, dass das augenblickliche LK-System sich hinter keinem anderen System zu verstecken braucht und sich insgesamt bewährt hat. Nehmen wir doch einfach in Kauf, dass mangelnde Perfektion zu jeder sportlichen Berechnung gehört, sei sie subjektiv empfunden oder messbar. Vielspieler werden bevorzugt, manche haben eine zu gute LK und manche eine zu schlechte LK, das wird sich bei der Vielzahl der Spieler und der Spiele nicht vermeiden lassen.
Ich finde, man sollte grundsätzlich das bisherige System beibehalten und in einigen Parametern wie z.B. dem Altersklassenzuschlag verbessern.
Die Vielzahl der Teilnehmer an Ranglisten- und LK-Turnieren zeigt, dass das System von Rangliste und LK so schlecht nicht sein kann.