Eine sehr persönliche Meinung von Winfried Weidlich
Über die außerordentliche Mitgliederversammlung hat der DTB noch am Abend des 22.07.2023 eine Pressemitteilung herausgegeben.
Ich fragte mich spontan:
Liegt vor mir die Pressemitteilung des größten Tennisverbandes der Welt, die über eine außerordentliche MItgliederversammlung mit zwei wichtigen Entscheidungen über die Zukunft des Tennis in Deutschland informiert oder die Mitteilung eines beliebigen Unternehmens über eine erfolgreiche Verkaufsveranstaltung.
Erinnern Sie sich eigentlich noch an die TASS-Mitteilungen des sowjetischen Politbüros?
Ohne dem Verfasser dieser DTB-Pressemitteilung zu nahe treten zu wollen: Ähnlichkeiten mit den TASS-Meldungen früherer Jahre drängen sich mir geradezu auf:
Glatt geschliffene Aussagen, nicht ein Wort über gegensätzliche oder auch nur unterschiedliche Ansichten in der Mitgliederversammlung, ein Hauch von Wahrheit, aber eben nicht die ganze Wahrheit und am Ende weiß man eigentlich nicht viel mehr als vorher.
Zwei wichtige Entscheidungen waren zu treffen:
Über eine Strukturreform und über ein Finanzkonzept, beides Entscheidungen, die wichtige Weichenstellungen für die Zukunft beinhalten.
Über die Strukturreform ist in der Pressemitteilung zu lesen:
“Im Rahmen einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag in Hamburg votierten Vertreter:innen der 17 Landesverbände einstimmig und damit mit mehr als der benötigten Zweidrittelmehrheit für eine umfassende Reform der DTB-Strukturen. Die verabschiedete Strukturreform, für die eine Satzungsänderung des DTB erforderlich ist, sieht im Kern die Einführung eines hauptamtlichen Vorstandes vor, der fortan in der Gesamtverantwortung steht. Das ehrenamtliche Präsidium bestimmt künftig die Zusammensetzung des Vorstandes und fungiert in neuer Rolle als Aufsichtsratsgremium. Der Bundesrat mit Vertreter:innen der 17 Landesverbände ist als Beratungsgremium des Präsidiums in die Struktur eingebunden. Das oberste Beschlussorgan bleibt weiterhin die Mitgliederversammlung, die sich ebenfalls aus Vertreter:innen der Landesverbände zusammensetzt.”
Kein Wort darüber, dass dem Vorschlag des DTB ein Gegenvorschlag aus den Landesverbänden gegenüberstand und dass nur durch eine sehr professionelle und von allen gelobte Gesprächsleitung und -führung des Präsidenten des Hamburger Tennis-Verbandes, Dr. Matthias von Rönn, ein von allen akzeptierter Kompromissvorschlag verabschiedet werden konnte.
Über das Finanzkonzept, die zweite wichtige Weichenstellung, die verabschiedet werden sollte, findet sich folgende Aussage in der Pressemitteilung:
“Beratungen über alternative Finanzierungsmodelle sowie die Konzeption tennis.de PLUS wurden fortgeführt. Ergebnisse wurden noch nicht abgestimmt. Sie wurden in die zuständigen Gremien zur weiteren Ausarbeitung gegeben und stehen demnächst zur Abstimmung.”
Nicht ein Wort darüber, dass, da keine der vom DTB vorgestellten Finanzierungsoptionen eine Mehrheit finden würde, das Projekt auf der Mitgliederversammlung erst gar nicht zur Abstimmung gestellt wurde und es damit eine Einführung von tennis.de PLUS im Jahr 2024 nicht geben wird. Auch kein Wort darüber, dass der DTB von den Landesverbänden aufgefordert wurde, weitere Finanzierungsmodelle – die keine Einführung einer Wettkampfgebühr beinhalten – auszuarbeiten, um diese dann seinen Landesverbänden zur erneuten Entscheidung vorzustellen.
Auch die Tatsache, dass von den Landesverbänden ein Nachtragshaushalt für das Jahr 2023 abgelehnt wurde, war einer Erwähnung in der Pressemitteilung nicht wert.
Dass in der Versammlung über viele Stunden sehr kontrovers teilweise bis an die Grenzen des Erlaubten und bisweilen auch darüber hinaus sehr engagiert diskutiert wurde, erfährt der Leser nicht. Im Gegenteil: die Veröffentlichung des DTB liest sich, als habe eitel Sonnenschein und tiefer Friede zwischen dem DTB-Präsidium und den Landesverbänden geherrscht. Dass das nach der Versammlung vorgesehene gemeinsame Abendessen beinahe der schlechten Stimmung zum Opfer gefallen wäre, gehört zwar nicht unbedingt nicht in eine Pressemitteilung, zeigt aber sehr deutlich das Klima an diesem Tag auf.
Mein Fazit: Über diese Pressemitteilung ist kein weiteres Wort zu verlieren: ein Muster ohne Wert und eher Desinformation als Information.
Was man aber aus dieser Mitgliederversammlung Positives mitnehmen kann:
Die Landesverbände haben eine unglaublich wichtige Funktion als Regulativ des DTB-Präsidiums. Und diese Funktion haben sie in vollem Umfang und im Sinn aller Tennisspieler und -spielerinnen wahrgenommen.
Zwei generelle Bemerkungen zum Schluss:
1.Wenn das DTB-Präsidium das Finanzierungskonzept tennis.de PLUS mit seinen Mitarbeitern selbst entwickelt hat, ist das für mich “nur” eine Verschwendung von Ressourcen. Wenn dieses Konzept von einer beauftragten und bezahlten Marketing-Agentur entwickelt worden ist, ist das eine durch nichts zu rechtfertigende Verschwendung von Geldern.
2. In der Politik ist es nicht möglich, dass ein Ministerpräsident eines Bundeslandes gleichzeitig Mitglied der Bundesregierung sein kann, also im Bundesrat über die Beschlüsse zu entscheiden hat, die er als Regierungsmitglied gefasst hat. Für mich ist es nicht nachzuvollziehen, dass der Präsident eines Landesverbandes gleichzeitig Mitglied des DTB-Präsidiums sein kann und als solcher über Beschlüsse entscheidet, die er als Vizepräsident und Ressortleiter gefasst hat.
Dass meine Meinung und damit auch dieser Beitrag die Verantwortlichen beim DTB nicht interessiert, ist mir klar. Nachdenklich sollte stimmen, dass diese Meinung von vermutlich nicht wenigen Tennisfreunden geteilt wird – und das sollte und darf der DTB nicht außer Acht lassen.