der Fluch des Partizips

Wenn es das Partizip Präsens, also die spezielle Verbform, die das Zeitverhältnis der Gleichzeitigkeit ausdrückt, in der deutschen Sprache nicht gäbe – man müsste es glatt erfinden.
Andererseits – diese Form des Verbs ist Segen und Fluch zugleich.

Seit alters her kennen wir Studenten und Studentinnen, also Personen, die in einer Einrichtung des tertiären Bildungsbereichs immatrikuliert sind und dort eine akademische Ausbildung erhalten.

Im Zuge des allseits aufploppenden Genderwahns nennt man sie auch gerne Studierende. Das ist an sich auch völlig in Ordnung so, aber wie bezeichnet man dann einen Menschen, der gerade eine Speisekarte oder den Fahrplan der Bahn studiert, aber nicht immatrikuliert ist. Man könnte ihn Lesenden nennen. Es sei denn, er schaut sich auf der Speisekarte nur Bilder an. Oder Sehenden, aber was würden Kassandra oder Nostradamus dazu sagen?
Man kann Studierender sein und trotzdem kein Student, so wie nicht jede forschende Hand tatsächlich einem Forscher gehört.

Man kann sicher den wohl bekanntesten deutschen Dichter Johann Wolfgang von Goethe oder die Dichterin Louise Glück, die Gewinnerin des Literatur-Nobelpreises 2020, mit Fug und Recht und unter Beachtung aller Gender-Regeln als Dichtende bezeichnen. Aber trifft diese Bezeichnung – Dichtende – nicht auch während zeitweiser Tätigkeit auf Klempner zu?

Das ist wahrlich ein Gender-Problem. Wer gendert, vereinfacht unsere Sprache enorm und lässt wunderschöne, sich aber bisweilen nicht auf Anhieb erschließende Doppeldeutigkeiten unserer Verben leider völlig außer Acht.

Ich z.B. nenne diejenigen, die anderen Menschen Tennis beizubringen versuchen, Trainer oder Trainerin, je nach Geschlecht. Ich weigere mich, in diesem Fall das Partizip Präsens als substantivierten Gleichmacher zu benutzen: Trainierende. Denn: bei Trainierenden auf dem Platz hat man keinen Schimmer, wer gemeint ist. Die, die Training geben oder diejenigen, die trainiert werden. Und da dieses ach so beliebte Partizip Präsens eine im Moment des Geschehens stattfindende Tätigkeit ausdrückt: wenn alle nach dem Training vom Platz gegangen sind, gibt es nur noch Trainer, Trainerin und Trainierte, aber keine Trainierenden mehr. Die sind inzwischen Duschende, Biertrinkende oder nach Hause sich Bewegende. Letzteren Begriff sollte man wählen, wenn man nicht weiß, ob er oder sie oder auch beide gehen, laufen, fahren oder gefahren werden.

Ein Vorschlag zur Güte.
Vielleicht hälfe oder hülfe es, dieses Partizip Präsens auch für Substantive zu erfinden, also für Substantivierende.
Dann hieße es Professorende und niemand bräuchte dieses Wortungetüm Professx als genderverkürzende Zusammenfassung weiblicher Professorinnen und männlicher Professoren. Ich selbst als mit einer Zischlaut-Schwäche Gesegneter kann dieses Wort „Professx“ nicht einmal aussprechen und ich weiß auch nicht, wie man den Plural bildet.

Zurück zum Tennis.
Altersklassenwechselnde fände ich ein schönes, auf der Zunge zergehendes und gleichzeitig unglaublich schizophrenes Wort: ein Begriff, den man einerseits ganzjährig verwenden kann, der aber andererseits einen nicht messbaren Zeitraum beschreibt, nämlich die nur in Attosekunden zu beschreibende Spanne zwischen dem 31.12. eines Jahres um 24.00 Uhr und dem Wimpernschlag danach beim Umspringen der Zeit auf das neue Jahr.


Tennisspielende könnte mein Lieblings-Begriff werden. Es bezeichnet jene, die gerade Tennis spielen, aber auch das Ende desselben. Hängt nur von der Betonung ab. Zwei Begriffe in einem einzigen Wort – und man braucht nicht einmal ein oder mehrere „X“ dafür.

Gendern ist Fortschritt und Gendernde sind Fortschreitende. Für mich persönlich möglichst weit fort.