Wann fängt eigentlich gendern an ?

Sprache ist immens wichtig. Meine Frau und ich unterhalten uns beim Frühstück zweisprachig. Sie in ihrer Muttersprache, ich aus Trotz in meiner Vatersprache. Gut nur, dass mein Vater und ihre Mutter annähernd dasselbe Idiom sprachen. So verstehe ich sie wenigstens akustisch. Was ich mich frage: hat meine Frau überhaupt eine Muttersprache, da sie bei ihrem Vater aufgewachsen ist? Und was spreche ich, da ich bei meiner Oma groß geworden bin?

Wir beide – meine Chefin und ich – bemühen uns um Gleichberechtigung in jedweder Form, lassen aber einander sprachliche gestalterische Freiheiten. Wir wohnen in einer Straße ohne Durchfahrtmöglichkeit. Offiziell ist das eine Sackgasse, meine Frau nennt es Untenrum-Weg. Sackgasse ist ihr zu männlich. Ich revanchiere mich, indem ich unsere Urlaubsregion als Obenrum – Bucht bezeichne, wenn wir am Jadebusen campen.

Wollen wir in Zukunft wirklich so sprechen?

Es gibt weitere Probleme. Die große Glocke im Kölner Dom heiß Dicker Pitter. Das ist okay. Die im Kirchturm unseres Dorfes heißt Sieglinde. Ist auch okay. Aber wenn wir korrekt sein wollen: Sieglinde besitzt einem Klöppel, also einen frei schwingenden Teil zum Auslösen eines Tones. Kann jemand mit einem Klöppel Sieglinde heißen? Mitten in einem westfälischem Dorf?

Andererseits: klöppeln, das Anfertigen von Spitzen mittels eines Klöppels, ist eine eher weibliche Tätigkeit, denn: die Herstellung der Handklöppelspitze beruht auf einem systematischen Wechsel von Verdrehen – Verkreuzen – Verknüpfen – Verschlingen – und, vertraulich unter uns Männern -, mehrere, ich meine sogar alle dieser vier Tätigkeiten oder besser Kunstformen sind doch eindeutig dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen, oder? Und Spitzen zu produzieren, ist doch überhaupt eine eher typisch weibliche Eigenschaft, denke ich.

Ist das schon gendern? Oder noch gendern? Oder einfach nur sexistisch anmutendes dummes Zeug?

Wo ich aber mit meiner Frau absolut auf einer Linie bin: Es ist völlig unverständlich, dass ein Mann als zweiten Vornamen Maria (wie Christoph Maria oder Rainer Maria) führen darf, aber Josef als zweiter Vorname für eine Frau ist tabu. Das, finde ich, ist erstens wirklich ein drängendes Problem unserer Zeit und zweitens ungerecht. Wäre es da nicht gerechter, Vornamen zu wählen, die für beide Geschlechter gelten wie Alexis (Sorbas oder Denver-Clan), Dominique (Strauss-Kahn oder die singende Nonne) oder Andrea ( italienischer Sänger oder deutsche Tennisspielerin). Sollten diese beiden heiraten: rufen die sich wirklich gegenseitig Andrea?

Man sollte Vornamen wählen, aus denen das Geschlecht nicht ersichtlich ist: den Zeugungsort vielleicht. Gut: Safari Park Stukenbrock ist jetzt nicht so der Hammer und auch Goldenes Lamm Ochsenhausen ruft keine Begeisterungsstürme hervor. Aber was ist mit Lourdes, Bali, Machu Pichu oder Gasometer Oberhausen? Weiß doch jeder gleich, dass Sohn oder Tochter weitgereiste Eltern haben. Bei Paris Hilton, Brooklyn Beckham oder Lourdes Ciccione geht es doch auch.
Aber, liebe Namensgebende, aufgepasst beim Zeugungsort Auto: Weichen Sie in der Namensgebung lieber auf fremdartige Kraftfahrzeuge aus. Cinquecento, Ibiza oder Lexus hören sich interessanter an als Polo oder Opel Blitz; wenn es denn ein deutsches Auto sein muss: wählen Sie wenigstens Fiesta, das klingt immerhin nach Spaß und Party.

Über Gender-Ungerechtigkeiten beim Tennis müssen wir nicht reden. Zwar heißt es der Sieg und die Niederlage, aber bei uns im Ruhrgebiet interessiert das eher weniger. Denn bei uns heißt es: dat Gewinnen und dat Verlieren. Keinerlei Stress mit gendern. So schön einfach kann deutsche Sprache sein, wenn man nur in der richtigen Region wohnt.

© 2018 weidlichstenniswelt.com