Gedanken über die Einhaltung von Regeln

von Winfried Weidlich

Vorbemerkungen

Die generelle Einhaltung von Regeln ist Bestandteil jeder Sportart, auch und vielleicht sogar besonders im Tennis. Regeln sorgen für Chancengleichheit und Fairness für alle Teilnehmer und stellen sicher, dass alle Spieler und Mannschaften die gleichen Bedingungen und Möglichkeiten haben, um erfolgreich zu sein. Regeln verhindern unsportliches Verhalten, Betrug und den Einsatz unfairer Mittel. Sie geben einen klaren Rahmen für den Wettbewerb nicht nur bei Turnieren, sondern vor allem auch im Mannschaftstennis. Regeln schaffen klare Strukturen und Richtlinien für Spieler, Teams und Offizielle, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb fair abläuft und dass der Fokus auf sportlichen Leistungen und Teamgeist liegt.

Fair play und Sportsgeist

Sportsgeist oder Fair play bedeutet in jeder Sportart, das Spiel in einem Geist der Ehrlichkeit und des Respekts im Umgang miteinander zu spielen. Das bedeutet, dass im Sinn eines sportlichen Umgangs miteinander Regeln bisweilen flexibler ausgelegt werden können. Auch in unserer Sportart gibt es Traditionen und informelle Regeln, bei denen die offiziellen Regeln in einem mehr oder weniger weiten und großzügigen Rahmen ausgelegt werden. Diese informellen Regeln können dazu führen, dass bestimmte Verhaltensweisen akzeptiert werden, auch wenn sie nicht explizit in den offiziellen Regeln vorgesehen sind oder diesen sogar widersprechen. In solchen Fällen kann es als sportlich angesehen werden, diese informellen Regeln zu respektieren und zu befolgen.

Pünktlichkeit von MannschaftenDie Paragraphen der Wettspielordnung

§ 58 Mannschaftsaufstellung
1. Spätestens eine Viertelstunde vor dem festgesetzten Spielbeginn haben die Mannschaftsführer dem Oberschiedsrichter die namentlichen Mannschaftsaufstellungen der Einzelspieler in der Reihenfolge der namentlichen Meldung schriftlich zu übergeben
3. Spielberechtigt für die Einzel bzw. die Doppel sind alle Spieler der namentlichen Meldung, die bei Abgabe der Einzel- bzw. der Doppelaufstellung offensichtlich spielfähig anwesend sind.
6. Der Oberschiedsrichter gibt den beiden Mannschaftsführern gleichzeitig die jeweilige Mannschaftsaufstellung zur Kenntnis (Offenlegung). Die Aufstellung der Einzel und der Doppel ist nach Offenlegung endgültig und darf in keinem Fall mehr verändert werden. § 60 Ziffer 1 bleibt hiervon unberührt

§ 60 Wertungen
1. Setzt ein Verein einen nicht spielberechtigten Spieler (insbesondere § 4, § 28, § 58 Ziffer 3 und 7) in einem Mannschaftswettkampf im Einzel ein, wird dieser Wettkampf für diesen Verein mit 0:9 bzw. bei 4er Mannschaften mit 0:6 Matchpunkten als verloren gewertet

Die gängige Praxis beim Spiel ohne neutralen Oberschiedsrichter

Mannschaften wollen in aller Regel gegeneinander Tennis spielen und nicht durch Entscheidungen am grünen Tisch oder durch unglückliche Verkehrslagen ein Wettkampfergebnis erzielen. Daher ist es in fast allen Alters- und Spielklassen Tradition, bei Verspätungen einzelner Mannschaftsspieler und manchmal auch kompletter Mannschaften ein Auge zuzudrücken und den Wettkampf trotz der anders lautenden Regel verspätet zu beginnen. Das bleibt jeder Mannschaft, die von der oder den Verspätungen des Gegners betroffen ist, selbst überlassen.

Dieser an sich positive Entscheidungsspielraum schaftt gleichzeitig Probleme. Manche Heimmannschaft wartet 15 Minuten, andere eine halbe Stunde, eine dritte eine ganze Stunde und eine vierte vielleicht noch länger auf das Eintreffen der Gastmannschaft. Auch Gastmannschaften warten manchmal auf einen oder mehrere unpünktliche Spieler der Heimmannschaft. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass eine Mannschaft, die bei einem Auswärtsspiel zu spät kam und spielen durfte, bei einem Heimspiel andere Maßstäbe anlegt und auf die Minute achtet. Mitunter hängt die Bereitschaft einer Mannschaft, die Unpünktlichkeit des Gegners in Kauf zu nehmen, auch vom eigenen Tabellenstand ab.
Tatsache ist, dass es durch diese gängige Praxis, die an sich als sportliches Miteinander gedacht war, immer wieder Probleme gibt, die zu Unfrieden ziwischen Spielern und auch Mannschaften führen
Es gehört ohne Frage auch zum fairen Umgang miteinder, pünktlich zu einem Mannschaftsspiel zu erscheinen, egal, ob auf der eigenen oder einer fremden Anlage.

Wettkampf mit einem neutralen Oberschiedsrichter

Beim Spiel mit einem neutralen Oberschiedsrichter stellt sich die Frage überhaupt nicht, ob ein Spieler eingesetzt werden darf, der beim zeitgerechten Ausfüllen der Mannschaftsaufstellung nicht vor Ort anwesend ist.
Nach der Wettspielordnung DTB §50 Absatz 1c überprüft der OSR die Spielberechtigung und der Spieler, der bei Abgabe der Einzelaufstellung nicht anwesend ist, ist nicht spielberechtigt (WO §58 Nr.3).
Der Oberschiedsrichter hat keinerlei Ermessensspielraum bei seiner Entscheidung.

Zusammenfassung

Niemand wird behaupten, dass die regelkonforme Entscheidung des Oberschiedsrichters, einen nicht anwesenden Spieler nicht spielen zu lassen, unsportlich sei. Folglich kann die ebenfalls regelkonforme Entscheidung einer Mannschaft, den nicht anwesenden Spieler der gegnerischen Mannschaft nicht spielen zu lassen, logischerweise ebenfalls nicht als unsportlich bezeichnet werden.

Die Verwendung des Begriffs “Unsportlichkeit” halte ich generell für problematisch, wenn ein Spieler oder eine Mannschaft auf der Einhaltung einer in der Wettspielordnung festgelegten Regel besteht. Es wird vermutlich niemand ernsthaft behaupten, dass die Regel, bei der Mannschaftsaufstellung anwesend sein zu müssen, unsportlich sei. Folglich kann auch das Bestehen auf Einhaltung dieser Regel nicht als unsportlich bezeichnet werden.

Eine großzügige Auslegung der Pünktlichkeits-Regel, die einen Wettkampf auch trotz Verspätung von Spielern möglich macht, ist generell begrüßenswert. Aber genau diese an sich begrüßenswerte Großzügigkeit kann zu Konflikten zwischen zwei Mannschaften und ebenso zu Konflikten zwischen Spielern derselben Mannschaft führen.
Die Pünktlichkeits-Regel mag kleinkariert erscheinen und im Einzelfall auch als ungerecht empfunden werden, weil sie bei strikter Einhaltung für alle und für jeden denkbaren Fall gilt, also auch für unverschuldetes Zuspätkommen. Eine großzügige Zeitauslegung ermöglicht vielfach die Durchführung des Mannschaftswettkampfes, führt aber bisweilen zu Problemen oder gar zu Zerwürfnissen, die bei einheitlicher Einhaltung der Regel nicht entstehen würden.

In der Wettspielordnungdes DTTB ( Deutscher Tischtennis Bund) findet sich ein interessanter Passus “Beide Mannschaften stellen sich mit allen anwesenden Spielern vor dem festgesetzten Spielbeginn in Spielkleidung oder Trainingsanzug zur Begrüßung und Bekanntgabe der Mannschaftsaufstellungen auf” Es ist nicht nötig, diesen Passus wörtlich zu übernehmen, aber als Beispiel könnte diese Regelung auch für unseren Sport gelten.

Über Mannschaftswettkämpfe, in denen großzügige Regelungen praktiziert werden, hört man kaum etwas. Wenn es wegen Unpünktlichkeit von Spielern oder Mannschaften Probleme gibt, kann in den sozialen Medien der Teufel los sein. Je höher die Spielklasse, desto mehr Lärm.
Dieser Lärm in vermutlich wenigen Fällen übertönt, dass es in den meisten Fällen, in denen ein Manschaftsspiel verspätet anfängt, keine Unstimmigkeiten gibt.

Es ist und bleibt ein Dilemma.
Generell sind Regeln strikt einzuhalten. Es käme niemand auf die Idee, einen Spieler in einem Wettkampf spielen zu lassen, der nicht auf der Meldeliste steht. Und ein Ball, der hinter der Grundlinie aufschlägt, ist aus. Regeln haben im allgemeinen keinen Auslegungsspielraum. Im Grunde lässt auch die “Pünktlichkeitsregel” keinen Spielraum.

Und trotzdem:
ich persönlich finde die bisher praktizierte Tradition eines gewissen großzügigen Umgangs mit dieser Regel gut und richtig, weil es im Sinn eines sportlichen Miteinanders ist und auch gegenseitige Rücksichtsnahme bedeutet. Wenn es dann in seltenen Fällen zu Unstimmigkeiten zwischen Mannschaften oder Spielern kommt, dann ist das ein nur kleiner Preis für ein im allgemeinen gelungenes Miteinander im Mannschaftssport.

Und manches sollte man auch einfach in den sozialen Medien nicht wichtiger erscheinen lassen, als es wirklich ist.