von Winfried Weidlich
Was macht man, wenn man etwas nicht weiß: man googelt. Habe ich gemacht. Nach „Aufschlag“ gesucht. Und was ist dabei herausgekommen?
Spricht ein Bankdirektor von einem Aufschlag, so meint er das Agio, das im Finanzwesen bei bestimmten Geschäftsarten zusätzlich zum Kaufpreis verlangt wird. Spricht er vom Abschlag, kann er nur die Spieleröffnung beim Golf meinen, denn Abschläge auf ein Finanzgeschäft mit einer Bank sind in der Praxis unbekannt.
Findet die Dame des Hauses, sie habe gut aufgeschlagen, so spricht sie vermutlich von der perfekten Herstellung schnittfesten Eischnees mit Hilfe eines kreisförmig geschwungenen Besens und Drehens einer Schüssel.
Und lobt gar ein Musiker einen anderen, er habe einen schönen Aufschlag gewählt, dann hat selbiger sein musikalisches Werk auf einem unbetonten Taktteil vor der ersten Hauptbetonung begonnen.
Auch das Verb „Aufschlagen“ hat vom intransitiven „im Fallen hart aufprallen“ über das transitive „öffnen, indem die Lider gehoben werden“ bis hin zum seemannsprachlichen „Wasser mit einer Schlagpütze vom Schiff aus schöpfen und dann hinaufziehen“ ganz unterschiedliche Bedeutungen.
Der Aufschlag beim Tennis dagegen ist einfach. Er ist im Regelwerk sehr deutlich beschrieben und lässt kaum Fragen offen. Bis auf eine.
„Der Aufschläger hat dann den Ball mit der Hand in eine beliebige Richtung zu werfen und den Ball mit dem Schläger zu schlagen, bevor dieser den Boden berührt.“
Diese Formulierung bereitet Deutschlehrern Probleme – und Klugscheißern wie mir, wie ich zugeben muss.
Die Substantive Ball (Singular Maskulinum) und Schläger (Singular Maskulinum) sind mit dem Demonstrativpronomen dieser (Singular Maskulinum) kongruent. Daher ist nicht mit letzter Sicherheit festzustellen, ob der Ball gemeint ist, der geschlagen werden muss, bevor er den Boden berührt oder ob der Schläger gemeint ist, der den Ball treffen muss, bevor er, der Schläger, den Boden berührt.
In der Praxis hat eine wie auch immer geartete Auslegung dieser Regel keinerlei Auswirkungen. Es ist noch kein Spieler auf die Idee gekommen, mittels eines über den Boden kratzenden Schlägers einen Halbvolley-Dropshot als Aufschlag zu produzieren. Weltklassespieler brauchen diesen Schlag nicht und in unserem Club kann diesen Schlag niemand. Ein Halbflugball-Tropfenschuss ist hier eher unbekannt.
Wir haben früher als Kinder auch nicht „Aufschlag“ gesagt, sondern den Begriff „Angabe“ verwendet. Die Aussage des Rückschlägers „Du gibst an“ ist durchaus missverständlich und daher ist der Begriff „Angabe“ auch nicht in das Regelwerk übernommen worden.
Jeder Ballwechsel beginnt mit einem Aufschlag. In einer Turnierausschreibung aber habe ich gelesen: „Ein Ballwechsel findet nicht statt.“
Macht stutzig, oder?
Lassen wir zum letzten Mal den Klugscheisser raushängen.
Geldwechsel ist der Umtausch von Währungen, Wildwechsel ist das sorglose Überqueren viel befahrener Straßen durch Wildtiere, ein Formwechsel ist der meist unerklärliche, plötzlich auftretende Verlust von Vorhand, Rückhand und Beinarbeit und ein Jahreswechsel vollzieht sich in einem nicht ausrechenbaren Bruchteil eines Wimpernschlages.
Der Ballwechsel gehört eher in die Kategorie Schusswechsel oder Wortwechsel. Es geht hin und her und am Ende gibt es einen Sieger.
Allerdings: Ist während desselben – des Ballwechsels – ein Ball schlapp und außer Form geraten, wird er gewechselt oder genauer: er wird ausgetauscht. Sollte selbiges (schlapp und außer Form) auf den Doppelpartner zutreffen, haben Sie Pech: Partnertausch wäre zumindest in dieser Situation nicht zulässig.
Der Aufschlag beim Tennis ist nicht wirklich schwer.
Ein klein wenig Koordinination zwischen Füßen, Beinen, Rumpf und Oberkörper einerseits und Schlagarm und Wurfarm andererseits und schon ist ein perfekter Aufschlag kein Problem.
Zur mentalen Vorbereitung prellst Du den Ball mehrere Male auf. Nebeneffekt: Je länger Deine Phase der mentalen Vorbereitung ist, desto mehr sinkt die Mentalität Deines Gegners. Ab 20 mal aufticken wird sie gegen Null tendieren.
Wenn Du Dich endlich mental fit fühlst, wirfst Du mit zunächst stillstehenden Füßen, vielleicht aber auch schon mit leicht angehobener Ferse des hinteren Beines, mit der Hand, die nicht den Schläger hält, möglichst ruhig den Ball in Luft, Deinen Blick fest auf selbigen gerichtet.
Während der Ball nun in der Luft schwebt, beugst Du Deine Knie und führst den Schläger in einer schwungvollen Bewegung hinter Deinen Rücken, möglichst ohne Dich dabei zu verletzen. Der Ablauf ähnelt dabei der Bewegung des Pitchers beim Baseball. In der Phase Deiner tennis-theoretischen Vorbereitung wäre der Besuch eines Baseball-Spiels unbedingt von Vorteil.
Denk auch bitte daran, Dein Becken nach vorne zu drücken, die Schulterachse in eine schräge Ebene zu versetzen, das Gewicht auf das vordere Bein zu verlagern und bei all diesen Verrichtungen unbedingt das Gleichgewicht nicht zu verlieren.
Nach der kurzzeitigen Einnahme einer bogenförmigen Körperhaltung durch Vordehnung Deiner Muskelschlinge an der Vorderseite Deines Rumpfes, explodierst Du durch schnelle Streckung von Füßen, Knie, Hüfte, Bauch, Brust und Schulter, wobei der Bauch eine wichtige Rolle spielt, die sogenannte Bauchrolle.
Wenn Du willst, kannst Du jetzt Dein Handgelenk abklappen – wenn Dir vorher klar geworden ist, ob Du als Griff den Eastern, Western, Semi-Eastern oder Semi-Western bevorzugt. Das wiederum hängt vermutlich von Stärke und Beweglichkeit Deines Kleinfingerballens ab und natürlich, ob Du einen Twist-, Slice- oder geraden Aufschlag produzieren willst.
Zu einem perfekten Aufschlag fehlt nur noch eines:
„Ich schlage jetzt ein Ass“ wäre der angebrachte Gedanke.
Was Du aber wirklich denkst: „Hoffentlich keinen Doppelfehler.“
Daran solltest Du arbeiten.
Ich selbst bin auf dem besten Weg zur Perfektion:
Ich bevorzuge zwar immer noch den Bratpfannengriff und schubse den Ball einfach irgendwie auf die andere Seite des Netzes, aber meine mentale Vorbereitung ist mit 30mal aufticken in ebenso vielen Sekunden optimal.
Leider finde ich im Club keinen Gegner mehr, an dem ich das ausprobieren könnte.