Botenstoffe

Wir Männer sind schon eine eigene Spezies. Einerseits. Andererseits können wir nichts dafür. Schuld sind chemische Botenstoffe, die unser Gehirn steuern. Unkontrolliert, sagen Wissenschaftler. Endorphine, Serotonin, Dopamin oder Testosteron heißen die Übeltäter. Am besten erklärt man es an einem Beispiel.

Ein Mann sieht ein tief ausgeschnittenes Dekolletee bei einer Dame. Schlagartig kommen 50% der Gehirntätigkeit zum Erliegen. Pro Brust, versteht sich. Was ist passiert? Bei einem derartigen Anblick schießt dem Mann Serotonin in unglaublichen Mengen aus den Augen direkt unter Umgehung des Gehirns in die unteren Teile des männlichen Körpers. Die Augen quellen einige Zentimeter nach vorne, um besser sehen zu können. Die vordere Hirnarterie wird abgeriegelt, weil das Blut an anderer Stelle dringender benötigt wird: Ab Magen abwärts herrschen Aufruhr und Alarm. Der linke Teil des Gehirns, zuständig für analytisches Denken, Mathematik, Logik, Wissenschaft und Sprache, wird in diesem Augenblick völlig abgeschnitten. Grundrechenarten, einfacher Dreisatz und sogar simple Sätze wie „Guten Tag“: alles weg. Könnte Mann auch gar nicht mehr herausbekommen, weil die Zunge ebenso schlagartig ausgetrocknet und geschwollen ist. Dafür produzieren Schwellkörper im Mund Speichel und Mann neigt zum Sabbern. Für einige Sekunden, in besonders hartnäckigen Fällen wie überquellendem Dekolletee auch für mehrere bis viele Minuten ist der Typ völlig paralysiert. Gott sei Dank funktioniert die Atmung automatisch, ansonsten wäre die Mortalitätsrate unter jungen Männern ungleich höher. Mit zunehmendem Alter lassen diese Symptome Gott sei Dank nach. Liegt wahrscheinlich an mangelnder Sehkraft.

Beim Anblick eines mit einem knappen Bikini bekleideten weiblichen Körpers reagiert Mann erstaunlich anders. Eine Art Toleranz- oder Zurückhaltungsbotenstoff sorgt dafür, dass die Blicke schamhaft nur auf die bekleideten Zonen gerichtet sind, obwohl 90 % des weiblichen Körpers unbedeckt ist. Und ebenso erstaunlich: je weniger Stoff, desto mehr zieht er die Blicke auf sich. Da haben Wissenschaftler noch einiges zu erforschen. Ich bin sicher, als Bademeister hätte Einstein seine Augen nicht auf die Relativitätstheorie gerichtet.

Anderes macht die Wissenschaft auch nachdenklich: Obwohl Frauen dieselben Botenstoffe besitzen wie Männer, reagieren sie völlig anders. Auf ein weibliches Dekolletee reagieren sie gar nicht, ebenso wenig auf einen knappen Bikini. Bei Schuhen hingegen leiden viele Frauen unter denselben Symptomen wie Dekolletee-geschädigte Männer. Zuzüglich Schnappatmung. Neulich nachts hörte ich sogar meine Nachbarin vor Glück schreien. War wohl der Zalando-Mann gekommen.

Wegen dieser unterschiedlichen Reaktionen besagt ein hartnäckiges Gerücht, dass Männer und Frauen nicht zusammen passen. Für mich völliger Quatsch. Man muss sich nur über einiges klar sein.
Beginnen wir mit der Schöpfung: Gott erschuf zuerst den Mann, schaute ihm eine Weile zu, dann erschuf er die Frau und erst danach fiel der Satz:
“Und er sah, dass es gut war.“ Ein Auto-Ingenieur baut auch zuerst einen Prototypen, lässt ihn laufen, merzt die Fehler aus und geht dann in Serie.

Wenn wir Männer diese Ausgangssituation erst einmal verinnerlicht haben, wird alles sehr viel einfacher. Für beide. Natürlich sind Männer und Frauen unterschiedlich. Aber diese Unterschiede ergänzen sich. Wir Männer haben die Muskeln, um die schwerste Pfanne in der Küche aus dem obersten Regal holen zu können. Frauen haben die Logik, uns zu erklären, warum ausgerechnet diese Pfanne ganz oben untergebracht werden muss. Frauen lesen keine Anleitungen. Sie drücken Knöpfe, bis es klappt. Frauen wählen auch ihre Kleidung nach anderen Kriterien aus als Männer: Farbe, Wetter, Jahreszeit, Kombinierbarkeit, Tagesplanung. Männer haben nur ein Kriterium: Geruch. Und sind froh, wenn die Socken zusammenpassen.

Und es gibt Naturgesetze, die es zu beachten gilt.
Frauen wollen ihre Männer ändern. Männer wollen, dass sich ihre Frauen nicht ändern – und beides haut niemals hin. Frauen verlieben sich in das, was sie hören. Männer in das, was sie sehen. Darum lügen Männer und Frauen schminken sich. Frauen sind nicht kompliziert. Der Umgang mit ihnen ist einfach: Wenn du als Mann einen Fehler machst, entschuldige dich. Wenn sie einen Fehler macht, gilt dasselbe: entschuldige dich. Frauen sind auch nicht zickig, sondern emotionsflexibel. Und der Satz: „Ich bin eine Frau, ich kann machen, dass du denkst, du hättest es so gewollt“, ist verwirrend, aber durchaus zutreffend, wenn wir ehrlich sind.

Was eine Frau unbedingt wissen sollte: Männer brauchen keinen Alkohol, um peinlich zu sein. Die Aussage „Gar nicht übel“ ist für einen Mann schon fast die höchste Form der Anerkennung. Und bitte, liebe Damen, gebt uns bloß nicht mal kurz eure Handtasche. Schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Das ist ein Fremdkörper für einen Mann. Man kann eine Handtasche nicht männlich halten.

Ich selbst fühle mich meiner Frau gegenüber absolut gleichberechtigt. Wir praktizieren sogar Meinungsaustausch. Zuerst habe ich meine, am Schluss ihre. Wenn Meinungsforscher an der Tür sind, rufe ich ohnehin meine Frau. Sie kann meine Meinung viel besser formulieren.

Was unser Zusammenleben wirklich einfach macht: Ich kenne die drei magischen Worte. Auswendig. Ohne Nachdenken. In jeder Situation. In beiden möglichen Varianten. Sie lauten: „Du hast recht“ oder „Ich bin schuld“.

Und das Ganze klappt wirklich. Wir sind schließlich seit fast 50 Jahren verheiratet. Glücklich. Sagt meine Frau. Aber ich auch. Tatsächlich aus völlig freien Stücken. Das ist auch ein Botenstoff. Ein eher seltener. Man nennt ihn Liebe.

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