Von den knapp 7.000 Sprachen weltweit besitzt nur etwa ein Drittel eine Schrift. Haben 155 Millionen Deutschsprachige Glück gehabt, dass sie ihre Sprache schreiben können oder eher Pech, dass sie sie schreiben müssen? Bei Wörtern wie lizenzieren, Konifere, Obolus, numerieren oder Akquisition bin ich mir da nicht so sicher. Und auch der folgende Satz, obwohl grammatikalisch absolut korrekt, ist nicht einfach zu verstehen:
“Beim Senioren-Tennis, wenn gute Spieler, die ein hohes Niveau, das Regionalligastärke, der höchsten Spielklasse, die es bei Senioren gibt, entspricht, besitzen, auf dem Platz stehen, können die Geschwindigkeiten, sei es gefühlt oder von einem Geschwindigkeitsmesser, der auf dem Platz installiert ist, festgestellt, einen Menschen, der voller Inbrunst, weil er Tennis, sein neues Hobby, das er sehr liebt, unglaublich gerne sieht, zuschaut, was man öfter, wenn man Zeit hat, auch tun sollte, schon, wenn man sich nicht sehr genau auskennt, was nicht immer der Fall ist, überraschen.“ Kommen Sie mit einmal Lesen hin?
Deutsch besteht aus rund 300 000 Wörtern. Ungefähr 46 Prozent aller Substantive sind weiblich. Damit liegt der Artikel „die“ klar vor „der“ (34 %) und „das“ (20 %). Gendermäßig also nicht ganz einwandfrei. Jährlich verschwinden Dutzende alter Begriffe wie Backfisch (ein junges Mädchen), Charivari (Uhrenschmuck an altbayerischen Männertrachten) Lorke (dünner Kaffee), Quarre (quengelndes Kind) oder urst (fett, krass, geil). Es kommen aber auch rund 1000 neue Wörter dazu, nicht immer verständlich und auch nicht immer schön. Arschgeweih, Dissen ( Abkürzung von diskreditieren), Funzen (etwas funktioniert) oder Fingergeste (Berühren und Verschieben auf Touchscreens) sind schon merkwürdige Schöpfungen.
So viele Wörter – und immer fehlen noch welche. Wir haben kein Wort für die Einwohner des Vatikans, für den so gerne vorab gegessenen inneren weichen Klumpen eines frischen, leckeren Brötchens oder für den Zustand des nicht mehr durstig Seins. Was knabbern Sie eigentlich an, wenn Sie den Brotanstich eines frischen Brotes zu sich nehmen? Es gibt dafür mehr als 350 regionale Bezeichnungen wie „Gombel“, „Ränftchen“, „Tippchen“ oder „Kanten“, aber nicht ein einziges hochdeutsches Wort. Übrigens auch nicht für einen angebissenen Apfel, der regional so schöne Bezeichnungen hat wie „Äpfelbutzen“, „Apfelgriebsch“, „Knust“, „Knabbel“ oder „Krotze“.
Einer der unterschätztesten Buchstaben im Alpabet ist übrigens das „m“. Der Satz “ Neulich habe ich an der Haustür ein großes Geschäft gemacht“ ergibt mit einem „m“ eine völlig andere Aussage. „Neulich habe ich an der Haustür mein großes Geschäft gemacht“. Möchte man sich gar nicht vorstellen, oder?
Sollten Sie Ihrer Frau Blumen schenken wollen: Bringen Sie keinesfalls Strauße mit. Diese Tiere brauchen sehr viel Platz und vermutlich werden Sie zu Hause einen ordentlichen Strauß ausfechten müssen, bevor Sie das mit mehreren Sträußen wiedergutmachen können.
Nach wie vor sind in unserer Sprache manche Aussagen einfach unverständlich: Nehmen wir das Wort „unbeweibt“. Es bedeutet ohne Frau. Eine Steigerung von unbeweibt ist nicht möglich. Dasselbe gilt aber auch für „unbemannt“. Für mich persönlich wäre beweibt eine deutliche Steigerung zu unbeweibt, aber ob bemannt für das weibliche Geschlecht eine Steigerung von unbemannt ist, wage ich zu bezweifeln. Ist ein Raumschiff mit rein weiblicher Besatzung tatsächlich unbemannt? Oder ist es beweibt? Eine Drohne ohne Piloten: unbemannt. Eine Drohne ohne Pilotin: unbeweibt. Ich schlage „unpersont“ vor. Und im Duden stünde: „Unpersont“, erfunden 2016 von Winfried Weidlich. Ewigkeitswert. Zumindest bis zur nächsten Ausgabe des Duden.
Zeit hat auch so ihre Merkwürdigkeiten. Wo die Sonne früher aufgeht als bei uns, ist es später, wenn Tennis übertragen wird; wo die Sonne später aufgeht als bei uns, ist es früher. Schichtarbeiter müssen schwere mathematische Rechenaufgaben lösen, um Übertragungen aus Australien oder den USA nicht zu verpassen.
Es tun sich weitere Fragen auf:
Wenn Sie in der Zoohandlung für Ihre Tochter einen kleinen Hund bekommen: Ist das eigentlich ein guter Tausch? Helfen Hamsterkäufe bei Engpässen in der Versorgung? Bei Fleischengpässen vielleicht, obwohl es eine schaurige die Vorstellung ist, aber was sollen Hamster bei Benzinengpässen helfen? Und nennt man die Furcht vor den Folgen von zu viel Völlerei wirklich Platzangst?
Einsilbig ist dreisilbig, Abkürzung hat ganze neun Buchstaben und ein zusätzliches „s“ kann für Vegetarier die Hölle sein: Fleischeslust oder Fleischesslust. Wer hatte die Idee, ausgerechnet ein s in lispeln unterzubringen? Streiken bei einem Generalstreik nur ranghohe Soldaten und ist die Rangfolge Untermann-Mann-Obermann-Hauptmann-Supermann wirklich ein Kriterium, nach dem Frauen sich richten sollten? Und was ich persönlich gar nicht verstehe: Warum muss ich auf Start klicken, um Windows zu beenden?
Deutsch ist wahrlich nicht einfach, wie man folgender Zeitungsüberschrift über eine Hundeschau entnehmen kann: „Die meisten Hunde begrüßten den Bürgermeister als Schirmherrn der Ausstellung mit freudigem Schwanzwedeln. Das Stadtoberhaupt erwiderte den Gruß mit derselben Herzlichkeit.”
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