Auswirkungen der neuen Ranglisten-Berechnungen

von Winfried Weidlich und Heiner Schwarting

Vorbemerkungen

Die Deutsche Rangliste ist im Wesentlichen eine Turnierspieler-Rangliste. Wer bei möglichst vielen und hoch eingestuften Turnieren erfolgreich ist, wird in der Rangliste weit vorne stehen. Wer “nur” Mannschaftsspiele für seinen Verein bestreitet, konnte auch nach den alten, bis zum 30.06.2023 gültigen Berechnungen in der Rangliste nie weit vorne stehen, weil er durch Siege nur in Mannschaftsspielen die entsprechenden Punktzahlen nicht erreichen konnte. Dies hat sich nach den ab 30.09.2023 geltenden Regelungen noch verschärft. Möglicherweise wird ein “Nur- Mannschaftsspieler” in vielen Fällen eine Ranglistenposition nicht erreichen können.
Den Vergleich zwischen den Ranglisten 30.06. und 30.03.2023 ziehen wir nur bei den Senioren, nicht bei den Seniorinnen. Da bei den Seniorinnen bis zum 30.06. die besten acht Ergebnisse gewertet wurden, ab dem 30.09.2023 nur noch die besten sechs Ergebnisse gewertet werden, ist ein Vergleich wenig sinnvoll.

Punktevergleich 30.06. und 30.09.2023 Cut der Seniorinnen

Bei den Seniorinnen wurden für die Rangliste 30.06. die besten acht Ergebnisse, für die RL 30.09. die besten sechs Ergebnisse gewertet. Daher ist ein Vergleich zwischen diesen beiden Ranglisten wenig sinnvoll. Wir haben daher nur aufgeführt, wie viele Punkte nötig waren, um den letzten Platz (Cut) einer Rangliste zu erreichen.

Punktevergleich 30.06. und 30.09.2023 Senioren

Wir haben die Punkte für die Plätze 1, 10, 50, 100, 150 und den Cut (letzter Platz der Rangliste) in den Ranglisten vom 30.06. nach der alten Berechnung und den Ranglisten vom 30.09. nach den neuen Berechnungen verglichen.
Da sehr viele Spieler der AK30 und 35 noch ATP-Turniere spielen oder in Bundesligen Mannschaftsspiele bestreiten und mit diesen Punkten nicht oder nur bedingt mit den höheren AK der Senioren vergleichbar sind, haben wir mit den Vergleichen mit der AK40 begonnen.

Punkte, die Spieler für den jeweiligen Platz in der RL 30.06. (gelb) bzw. 30.09. (grün) erspielt haben. Die letzte Spalte “Spieler” beinhaltet die Zahl der Spieler in der jeweiligen AK, die Punkte für die Rangliste erspielt haben.

Herren AK50 und AK70 – eine Übersicht

AK50

AK70

In beiden AK weicht die blaue Kurve (RL 30.09.23) bei den vorderen Ranglistenpostionen und den letzten Ranglistenpositionen deutlich von den Kurven der früheren Ranglisten ab. Es ist zu erkennen, dass In den vorderen Positionen in den Ranglisten 30.09. deutlich mehr Punkte als vorher und in den hinteren Positionen deutlich weniger Punkte als vorher erreicht wurden.

Punkte für Mannschaftsspiele gestern und heute – ein Vergleich

Für Turnierspieler auf den vorderen Plätzen der Rangliste kamen früher die meisten Ergebnisse aus Mannschaftsspielen nicht in die Wertung, weil z.B. 422 Punkte für einen Sieg an Nr.1 in der Regionalliga keines der besten acht Ergebnisse war. So fielen für recht viele Turnierspieler die Ergebnisse aus den Mannschaftspielen einfach weg. Jetzt zählen die besten sechs Ergebnisse aus den Mannschaftsspielen als ein Ergebnis, kommen daher häufig in die Wertung und erhöhen so das Punktekonto des Spielers für die Rangliste.
Für nur oder fast nur Mannschaftsspieler reichen die als ein Ergebnis zusammengefassten Punkte aus den Mannschaftsspielen nicht aus, um in die Rangliste zu kommen.
Das unterstreicht, dass die Rangliste in erster Linie eine Turnierspielerrangliste ist und auch bleiben soll.

Mannschaftsaufstellungen

Wettspielordnung DTB §5 Spielstärke
1.Maßgeblich für die Feststellung der Spielstärke ist die jeweils gültige Deutsche Rangliste,
dann das LK-System. Hiervon abweichende namentliche Meldungen sind mit nachfolgenden Ausnahmen nach Ziffer 2 und 3 unzulässig
3.Für Spieler ab Damen 30/Herren 30 kann in Einzelfällen eine Einstufung der individuellen
Spielstärke unter Berücksichtigung sportlicher Aspekte (u. a. von in der Vergangenheit erzielten Ergebnissen) vorgenommen werden.
Wettspielordnung DTB §5 Spielstärke
1.Die Regionalliga-Spielausschüsse melden dem DTB bis zum 20.07. die teilnehmenden Mannschaften.
2.Der Meldung sind die namentlichen Meldungen mit den jeweiligen Ranglistenplätzen gemäß der entsprechenden altersbezogenen DTB-Rangliste der Vereine, bzw. mit den individuellen Einstufungen der Spielstärke gemäß § 5 Ziffer 3 anzufügen. Die Meldung erfolgt
entsprechend den vom Regionalliga-Spielausschuss der jeweiligen Regionalliga genehmigten namentlichen Meldungen gemäß § 44.

Mannschaften 2023

Da Ranglistenspieler nicht nur in der höchsten Spielklasse, sondern auch in den zweithöchsten Spielklassen ihrer AK vertreten sind, haben wir die Zahlen der in 2023 gemeldeten Mannschaften in den vier Regionalligen und den entsprechen Altersklassen unterhalb der Regionalliga zusammengerechnet; in der RL SW die beiden Südwest-Ligen, in der RL NO die Nord-und Ostliga und in den RL W und SO, die keinen Regionalliga-Unterbau haben, die höchsten Ligen der entsprechenden Landesverbände.

Bei diesen Annahmen (acht Meldungen in den Mannschaften AK50-65 und sechs Meldungen in den Mannschaften AK70/75) ergibt sich, dass nur ca. 30% der gemeldeten Spieler in der Rangliste stehen. Gehen wir realistischerweise von mehr als acht oder sechs Spielern pro Mannschaft aus, verringert sich der Prozentsatz der Ranglistenspieler noch einmal deutlich. Dass in der höchsten Spielklasse der Prozentsatz der Ranglistenspieler vermutlich deutlich höher ist als in den darunter liegenden Ligen, ändert nichts daran, dass der größte Teil der Spieler spielstärkemäßig nicht über die Rangliste, sondern über die LK aufgestellt wird.
Es gelten also für die Mannschaftsaufstellungen zwei sehr unterschiedliche Ermittlungen zur Spielstärke, die nicht miteinander kompatibel sind, weil sie auf völlig unterschiedlichen Ansätzen beruhen und auf völlig unterschiedliche Arten berechnet werden.

Die DTB-Wettspielordnung ist eindeutig:
Maßgeblich für die Feststellung der Spielstärke ist die jeweils gültige Deutsche Rangliste,
dann das LK-System. Für die Mannschaftsaufstellungen sind demnach die beiden Systeme – RL und LK – nicht gleichwertig, sondern die Rangliste hat eindeutig Vorrang. In Einzelfällen kann von dieser Rangfolge abgewichen werden.

Man kann in aller Regel davon ausgehen, dass die Spitzenspieler jeder Rangliste auch die besten LK ihrer AK besitzen, weil bei den DTB-Turnieren und auch ITF-Turnieren in Deutschland die Spiele auch für die LK gewertet werden. Es ist aber durchaus möglich, dass Nicht-Ranglisten-spieler eine bessere LK besitzen als Ranglistenspieler auf den eher hinteren Plätzen.
Nach der Wettspielordnung (lassen wir einmal die Einzelfälle außer Acht) müssten diese Ranglistenspieler in der Mannschaftsmeldung vor den Nicht-Ranglistenspielern platziert werden und das ist mitunter nur schwer zu vermitteln.

Manche Spielleiter in den Regionalligen oder Landesverbänden versuchen, diese Problematik zu lösen, indem sie in derartigen Fällen auf die Einstufung nach individueller Spielstärke zurückgreifen. Das führt dazu, dass Spieler mit Ranglistenposition, die vor Spielern mit einer besseren LK gemeldet werden, per Entscheid am grünen Tisch ebenfalls diese bessere LK erhalten, um in der Mannschaftsmeldung eine stimmige Reihenfolge zu erhalten.
Bei diesen Einstufungen am grünen Tisch kann von Einzelfällen nicht mehr gesprochen werden.

Andere Spielleiter lehnen diese Einstufung am grünen Tisch ab. Dann stehen in diesen Mannschaftsmeldungen Ranglistenspieler mit einer schlechteren LK vor Spielern mit einer besseren LK. Da in allen Mannschaftsmeldungen nur die LK, aber nicht die Ranglistenposition aufgeführt ist, kann man nicht erkennen, wie es zu diesen Aufstellungen gekommen ist.

In der RL West gibt es eine sogenannte “Schnüffelsitzung”, in der die Mannschaftsführer aller Mannschaften die Aufstellungen diskutieren und darüber abstimmen.

In der RLNO haben nach Veröffentlichung der namentlichen Meldung die Vereine 14 Tage Zeit, Einsprüche geltend zu machen. Kommt es dazu, werden die anderen Mannschaften der Staffel zu ihrer Meinung dazu befragt. Danach wird ggf. korrigiert.

All diese verschiedenen Verfahren zeigen das Bemühen der Verantwortlichen auf allen Ebenen um eine möglichst gerechte und von den Spielern mit großer Mehrheit akzeptierte Lösung.

Es ist und bleibt aber ein Dilemma, das nur sehr schwer zu lösen ist.
So, wie es im Augenblick gehandhabt wird, führt sich das System selbst ad absurdum und ist von vielen Betroffenen auch nicht mehr nachzuvollziehen.

Wir Autoren sind nicht unbedingt Freunde von Kommissionen oder Ausschüssen. Aber ein kleines Gremium von betroffenen Spielerinnen und Spielern auf dieses Problem anzusetzen, könnte ein Weg zu einer Lösung sein.